Rauchzeichen lesen

Nach dem Volkentscheid für ein absolutes Rauchverbot in Bayern, stellen sich viele die Frage, wie dieses Votum zu interpretieren ist und was es bedeutet. Und kommen dabei zu unterschiedlichen Interpretationen. Auf jeden Fall wird oft die Meinung geäußert, es ginge nicht nur um Glimmstengel im Speziellen, sondern auch um Politik im Besonderen.

Volksentscheid

Generell ist das Mittel des Volksentscheids in Deutschland nur wenig praktiziert, da die Hürden zur Durchführung eines solchen Entscheids relativ hoch sind. Prinzipiell sind Volkentscheide zu begrüßen, da sie offensichtlich ein direkterer Zugang des Bürgers zu politischen Entscheidungen sind.

Andererseits sehe ich sie genau deswegen auch als gefährliches Plecebo, welches dem Bürger eine sichtbare Stimme bei einigen Leuchtturm-Entscheidungen gibt, statt ihn stärker in die Verantwortung einzubeziehen, ein demokratisches politisches Gesamtkonzept zu entwickeln und zu unterstützen. Nicht umsonst beziehen sich Volkentscheide oder zumindest deren Versuch auf gesamtpolitisch eher unwichtige Randthemen (Rauchverbot, Rechtschreibreform, Minarettverbot) mit einer gewissen Signalwirkung und einem starken persönlichen und emotionalen Bezug. In der derzeitigen Form sind sie eher Opium für das Volk und eine Spielwiese für Lobbyisten.

Positionen

Die Positionen erscheinen mir bei dieser Volksabstimmung einigermaßen verworren zu sein, so dass ich nur mutmaßen kann. Will ich trotzdem kurz tun. Ich hätte gedacht, dass die harten Kerne der „besserwisserischen Nichtraucher aus Prinzip“ und der „hedonistischen Überallraucher“ klein sind. Persönlich kenne ich eher gemäßigte Haltungen, die bislang ein verträgliches Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern ermöglicht haben. Insofern wundert es mich, dass sich beinahe 2/3 aller Stimmen für die extreme Nichtraucherposition entscheiden wollten. Manche vermuten, dass es sich auch um einen Denkzettel nicht nur gegen einige gar zu penetrante Raucher, sondern auch gegen den Politikstil der CSU handelt, die das Rauchverbot eigenmächtig und kurzerhand gelockert hatte. Vielen ging es also möglicherweise um einen Denkzettel und ums Prinzip, was ein armseliges Signal wäre.

„Bei vielen überwog der Gedanke mit diesem Volksentscheid der CSU/FDP-Regierung eine gelbe Karte zu zeigen. Öfters hörte man Sätze wie: Eigentlich könnte ich auch mit der alten Regelung leben, aber jetzt geht es mal ums Prinzip.“ (Robin Haseler)

Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung lag mit 37,7 Prozent in meinen Augen erstaunlich hoch. Auch und gerade im Vergleich zu Landtagswahlen. Insbesondere, wenn man sich zum einen die geringe politische Bedeutung vor Augen führt, die auch diesem Volksentscheid zugrunde liegt. Zum anderen auch, wenn man bedenkt, dass eine absolute Entscheidung für eine konkrete Position einigen schwer fallen wird. Abgesehen von den persönlichen Gründen, die viele auch bei Wahlen von der Stimmabgabe abhalten, gab es also zusätzliche Gründe die Stimmabgabe zu verweigern.

„Man kann es drehen und wenden, wie man will, wenn bei einer Umfrage die Meinung von 1’000 Durchschnittsbürgern/innen als repräsentativ betrachtet wird, so ist es dies bei 37,7 % einer Bevölkerung allemal.“ (Antibürokratieteam)

„Und so haben tatsächlich um die 20% der Bürger Bayerns allen anderen das Rauchen in Kneipen verboten und Kneipenbesitzern nebenbei auch noch gezeigt, wo der Hammer hängt…“ (Filterblog) (Link nicht mehr gefunden)

Deutung

Der Entscheid ist abgesehen von seinen überschaubaren direkten Folgen an sich irrelevant, jedoch politisch interessant, da er beinahe lehrbuchhaft politische und demokratische Irrwege aufzeigt. Zuallererst dadurch, dass das starke politische Mittel eines Volksentscheids für derartige Randthemen geopfert wird. Zusätzlich bleibt die Vermutung, dass der Entscheid zumindest zum Teil eine Denkzettelvergabe war, wie es zuletzt die Wahl des Bundespräsidenten war. Konkrete politische Fragestellungen zu anderen Zwecken zu missbrauchen ist eine gefährliche Unsitte, die Politikverdrossenheit dadurch schürt, dass politische Themen beliebig erscheinen.

Der Volksentscheid zeigt auch das Versagen der marktwirtschaftlichen und bürgerlichen Vernunft, an die ich ansonsten glaube. Trotz der anscheinend starken Nichtraucherbewegung ist es dem Markt nicht gelungen, durch adäquate Nichtraucherangebote diesen Wunsch zu bedienen, und umgekehrt haben es die Nichtraucher versäumt, ihre Macht als Bürger und Konsument entsprechend einzusetzen. Statt dessen muss es ein allgemeines Verbot sein, was eine große Gruppe sich selbst und einer anderen großen Gruppe auferlegt. Sofern sie Bürger Bayerns sind hätten die Raucher allerdings auch stärker von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen können.

„Merkwürdigen gegenteiligen Definitionen von Freiheit zum Trotz haben sich die Bayern hier schlichtweg selbst entmündigt.“ (Filterblog) (Link nicht mehr gefunden)

Schlußpointe

Da das ganze Thema nicht sonderlich lustig ist, muss es die Schlusspointe auch nicht sein, darum heißt sie auch nur so. Die Entscheidung fällt zumindest an einem günstigen Termin an einem spielfreien WM-Tag und bietet dem Boulevard genug Diskussionsstoff, um nicht über Regierungs- oder Finazkrisen nachdenken zu müssen. Aber immerhin kann man ja jetzt noch nachträglich reagieren und ganz aus Bayern fortziehen oder dorthin ziehen (je nach Neigung). Helfen wird es nicht, denn die nächste Volkabstimmung kommt bestimmt.

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