Acht Thesen über flattr

Einleitung

Flattr als Spendensystem für Inhalte im Internet ist ein Weg, um die Publizierung von Inhalten im Internet zu stärken und hat somit eine potentielle Bedeutung für die Finanzierung von Inhalten im Internet. Vor etwa einem Monat habe ich selbst einen flattr-Button auf den meisten meiner Internetseiten eingebaut, um eigene Erfahrungen mit flattr zu sammeln. Insgesamt habe ich bislang vier flattr-Zuwendungen auf folgenden Seiten erhalten:

  • 1x Abalathes-Rollenspiel-Blog (für das Blog, direkt nach dem Einbau des flattr-Buttons)
  • 2x Aerar -„Warum ich Flattr benutze“ (einen zu Testzwecken zu Beginn, einen etwas später)
  • 1x Alltagswiki – „Flattr in WordPress-Blog einbauen“ (nach etwa zwei Wochen)

Diese eigenen Erfahrungen sind zwar recht dünn, dennoch möchte ich, zusammen mit einigen anderen Quellen, einige Thesen zu flattr aufstellen.

1. Statische Informationen flattrn sich schlecht

Von meinen vier flattrs gehen drei auf meine Blogs und damit eher auf aktuelle Medien zurück. Nur einer bezieht sich auf ein Wiki-Beitrag, der sich wiederum ausgerechnet mit flattr beschäftigt. Das ist insofern erstaunlich, nur ein geringer Anteil meiner Seitenaufrufe auf Blogs beruht. Mein meist besuchtes Wiki wurde hingegen gar nicht geflattrt. Ebensowenig wie meine Linksammlung, die ebenfalls recht viele Besucher hat.

Mit Ausnahme von Wikileaks kenne ich keine Informationssammlung, die nennenswerte flattr-Einnahmen hat und die TopList von Textbeträgen in flattr wird von Blogs dominiert. Auch bei Stichproben bei alten Artikeln in erfolgreichen Blogs haben die Beiträge der Vor-flattr-Zeit (als nichtaktuelle, quasi statische Artikel) keinerlei flattr-Wert.

2. Der Longtail ist noch nicht erreicht

Während einige Webseiten im Juli 2010 bereits recht hohe Einnahmen mit flattr erzielen, blieben viele andere Seiten deutlich im einstelligen Euro-Bereich:

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  • griess.wordpress.com: 6 Euro (Link nicht mehr gefunden)
  • daburna.de: 3,11 Euro
  • sub-reality.org: 2,91 Euro
  • pattis-blog.de: 1,58 Euro

Die unten genannten Blogs sind dabei eine willkürliche Auswahl von Blogs im Pagerank-Bereich von 1-4, also vermutlich nicht völlig unbedeutend. Zum Vergleich: Meine eigenen Seiten bewegen sich ebenfalls in diesem Bereich und reichen in guten Monaten zusammen genommen an etwa 100.000 Seitenaufrufe heran. Nach meiner Einschätzung sollten alle diese Seiten also im oberen Bereich des sogenannten Longtails liegen.

Im Vergleich zur taz, so kann man behaupten, stimmt die Relation, dennoch bleiben die erzielten Summen im Longtail wenig verführerisch. Wenn man dann noch die „Teilnahmegebühr“ von zwei Euro Mindest-flattr-Spende abzieht, wird es für den Longtail schwer, Verluste zu vermeiden. Somit bleibt flattr für viele im Longtail lediglich ein Feedbacksystem, wie es ähnlich die Kommentare oder der Facebook-Like-Button sind.

3. Flattr flattert sich gut selbst

Drei meiner vier flattrs wurden für Seiten gemacht, die sich mit flattr beschäftigen. Zugegeben ist das bei vier Stichproben statistisch wenig interessant. Aber auch, wenn man sich heute die Top50 der flattr-Charts anschaut, findet man flattr-bezogene Einträge weit vorn (Die Platzierungen in den eckigen Klammern ergeben sich, wenn man die flattrs für ganze Webseiten herausrechnet und nur einzelne Artikel oder Unterseiten betrachtet):

Selbst wenn man argumentiert, dass die oben genannten Beiträge letztlich doch nur eine Belohnung des gesamten Blogs darstellen und nicht den flattr-Bezug an sich meinen, zeigen doch die deutschen Flattr-Charts vom Juli 2010, dass man mit dem bloßen Veröffentlichen seiner flattr- Einnahmen drei Plätze in den Top25 belegen kann.

4. flattr besitzt noch wenig Vertrauen außerhalb der Blogosphäre

Da sich statische Inhalte anscheinend weniger gut flattrn lassen, ist zu vermuten, dass die Besucher dieser Seiten einfach keinen flattr-Account besitzen. Dies scheint bei den Blogbesuchern anders zu sein. Da flattr ein häufiges Thema in Blogs ist, sind die Blogbesucher vermutlich besser über flattr informiert und eher bereit, sich einen Account anzulegen.

Für weniger netzorientierte Internetnutzer baut flattr durch die beschränkten Überweisungsmethoden unnötige Hürden auf. Einigen von ihnen mag zudem das Bezahlen über das Internet generell oder das Geschäftsmodell von flattr ein wenig suspekt erscheinen.

5. flattr hat das Potenzial ein finanzielles Standbein im Internetbereich zu werden

Die Einnahmen der großen Webseiten zeigen deutlich, dass sich mit flattr nennenswerte Beträge erzielen lassen. Nach Beendigung der Beta-Phase steht flattr nun allen Spendenwilligen offen. Andererseits ist die erste Welle der flattr-Begeisterung bereits durchs Web gelaufen. Die große Frage wird also sein, ob sich flattr weiter etablieren kann und ob es genug freiwillige Spender gibt oder ob die Nutzer ihren Account hauptsächlich wegen eines Spendenbuttons betreiben.

6. flattr wird nicht bestehen, wenn es den Longtail nicht erreicht

In meinen Augen ist flattr in erster Linie eine Dienstleistung für Spender, die den Wunsch verspüren, den Angeboten im Internet, die sie kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, einige kleine Gegenleistung zukommen zu lassen. Erst in zweiter Linie ist es eine Dienstleistung für Webseitenbetreiber, die auf zusätzliche Einnahmen hoffen. Wäre es anders, wäre flattr nur ein relativ wertloses Spendenkarussel.

Wenn der Spender jedoch keinen Abnehmer für seine Spenden findet, weil nur wenige Seiten den flattr-Button verwenden, ist der Dienst wenig attraktiv für ihn. Letztlich bespendet er effektiv dann nur wenige Seiten, die er im Zweifelsfall auch direkt mit einer Spende bedenken könnte.

Für kleinere Seiten ist flattr jedoch derzeit ein Verlustgeschäft, bei dem sie nur wenig Aufmerksamkeit erfahren. Es besteht die Gefahr, dass viele flattr-Nutzer, die an einem Button für ihre Webseite interessiert waren, um eine kleine Zusatzeinnahme zu erhalten, ihren Account nach Verbrauch ihres Startkapitals auslaufen lassen. Die Verbreitung des flattr-Buttons wird dadurch gebremst oder gar zurückgehen.

7. flattr beeinflusst die Internet-Medienlandschaft

[…] dass Leser nicht etwa die aufwändigsten Recherchen am stärksten honorieren, nicht die besten Reportagen und auch nicht die Artikel mit den besten Hintergrundinformationen unserer Fachredakteure. Am stärksten honoriert werden die Texte, in denen es gegen die Lieblingsfeinde unserer Leser geht [..]„, schreibt die taz in ihrem Blog, um etwas später im Artikel zu versichern: „Auf unsere Themenauswahl hat die Flattr-Bilanz übrigens – genau wie die Zahl der Online-Klicks eines Themas – keinen Einfluss:“. Die Gefahr des Einflusses bei der Themenwahl scheint also durchaus gegeben. Und auch wenn sich die taz an ihre Ankündigung halten sollte, ist das keine Garantie, dass andere Webseiten es ebenso halten.

Die flattr-Einnahmen in ihrer bisherigen Verteilung stärken zusätzlich aber auch die Konzentration im Internet auf wenige erfolgreiche Angebote, die dadurch ihre Infrastruktur ausbauen können und einen zusätzlichen Anreiz bekommen, dies auch zu tun.

Diese beiden Punkte werden tendenziell dazu führen, dass das Internet einseitiger wird.

8. flattr wird sich langfristig nicht etablieren

Mein persönlicher Erfolg mit flattr fällt eher ernüchternd aus, was anscheinend aber daran liegt, dass ich relativ wenige Blog-Artikel im Monat schreibe und ansonsten eher Webseiten mit statischem Content erstelle. Meine Erwartungen waren von Anfang an eher gering, wurden allerdings noch unterboten. Ich stelle das vorweg, um die Interpretationsöglichkeit einzuräumen, dass mein negatives Fazit allein meinen eigenen negativen Erfahrungen zuzurechnen ist.

Mit etwa 25.000 Nutzern war die Verbreitung von flattr Ende Juli nicht sonderlich hoch. Neuere Zahlen habe ich derzeit leider nicht. Dem möglichen Nutzerzuwachs aus der Öffnung aus der Beta-Phase stehen bald die ersten Abgänge der „early adopter“ entgegen. Zudem scheint flattr sich zum großen Teil auf den deutschsprachigen Raum zu beschränken, wo es von der Promotion durch einige „big player“ wesentlich profitiert hat.

Im als spendenwillig bezeichneten Amerika ist flattr im Vergleich zu Deutschland nur eine Randerscheinung und es stellt sich die Frage, ob der flattr zugrunde liegende Wunsch nach freiwilligen Spenden für Internetseiten tatsächlich so verbreitet ist. Hierzu wäre es ehrlich, auf eine monatliche Mindestsumme beim Spenden zu verzichten. Zum einen ist nicht einzusehen, worum Anbieter kostenloser Inhalte für den Empfang von Spenden zahlen sollen. Zum anderen würde sich aber zeigen, wieviele Spenden tatsächlich freiwillig erfolgen und ob das Konzept von flattr belastbar ist.

Wie sich an der falschen Abbuchung von meinem flattr-Account und an gewissen Problemen, die ich mit der flattr-API bzw. mit Plugins hatte, zeigt, scheint flattr auch jetzt noch nicht komplett ausgereift. Dabei halte ich das ganze flattr-System jedoch technisch für ein überschaubares, so dass ich mir die Frage stelle, ob die Betreiber derzeit noch überfordert sind. Lobend erwähnen muss man allerdings die schnelle Reaktion auf Nachfragen.

Flattr hat derzeit die kritische Masse noch nicht erreicht und wird meiner Prognose nach bestenfalls als Nischendienst für einige wenige Blogs mittelfristigen Erfolg haben. Auch wenn flattr in der Verbreitung andere Dienste wie Kachingle oder yourcent weit hinter sich läßt, wird es vermutlich sehr schnell eng werden, wenn sich ein Anbieter wie etwa Facebook aufmacht, um den Spendenmarkt im Handstreich zu übernehmen. Wenn es denn einen Spendenmarkt gibt.

Update (03.Sep.2010):

Wie ich dank eines Hinweises zu den flattr-Charts aufmerksam gemacht wurde, war der flattr-Spendenbetrag der taz im Juli nicht 1677 Euro, wie zuerst geschrieben, sondern 1420 Euro. Dies habe ich in der Liste weiter oben geändert.

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2 Antworten

  1. Andreas_P sagt:

    Hallo,
    Nur ein paar kurze Anmerkungen… (Der nächste der mit seinem Content erst mal nicht viel verdient)… OK, wie sage ich es… FLATTR wurde eigentlich gar nicht für Blogs und derartiges konzipiert. Die meisten Flattrs haben diejenigen mit einer treuen Community. Das gilt sowohl für die TAZ aber ganz besonders auch für die Flattrs von Tim Pritlove (das Chaosradio Express etc)… Flattr wurde erschaffen, damit „freier Content“ sich auf eine finanzielle Basis stellen kann. „der Eintrag DPKG hat übrigens in diesem Monat schon 400 Flattr bekommen. Der zweite in der Richtung der mir einfällt, ist das LibreGaming Projekt „FreeCiv mit 170 Flattrs) und so weiter… Aufmerksamkeit ist hier Geld, je größer die Community ist, desto mehr/eher wird Geld fliessen… By the Way .. „flattr.com“ ist eine Goldgrube zur Analyse….

    Was kann man also machen… Community aufbauen… Mundpropaganda … und etwas Glück… dann wird es schon…

    Ansonsten „Kachingle“ wobei das demnächst für kleinere Blogs stehen dürfte und noch das Deutsche „Yourcent.com“…

    Schönen Abend, Andreas_P

  2. Aerar sagt:

    Hallo Andreas,

    ich glaube schon, dass flattr auch für blogs geschaffen wurde, denn anders als Kachingle bot es von Beginn an ja die Möglichkeit, indivuelle Unterseiten (also zum Beispiel Artikel) zu bespenden, was für Webseiten eines einzelnen Projekt nicht unbedingt nötig wäre. Ich denke flattr wurde allgemein dazu geschaffen, eben Dinge zu flattrn, ohne auf sich auf eine bestimmte Webseitenart festzulegen. Aber selbst, wenn flattr nicht für Blogs vorgesehen wäre, wird es (zumindest meiner Beobachtung nach) faktisch intensiv von ihnen genutzt. Und ein Blog wie Spreeblick, das ich sehr schätze bekommt nicht nur 170, sondern 244 flattrs… mit einem(!) Artikel, wo sie um flattr-Geld für eine neue Lampe bitten.

    Ich glaube auch, dass flattr eine Goldgrube für eine Analyse (insbesondere über flattr) wäre, so wie ich sehe müsste man allerdings dazu alle Daten mal herunterladen und extern analysieren, denn die Analysemöglichkeiten innerhalb der Webseite erscheinen doch recht beschränkt.

    Ansonsten gilt für flattr natürlich das ganze Arsenal, um beliebter und bekannter zu werden, wie für alle anderen Methoden um Geld zu verdienen. Da ist es dann wieder ein Glück, dass die kleinen Seiten nichts ernsthaft verdienen. So kommen sie nicht in Versuchung sich zu verbiegen, um ein paar Cents mehr zu bekommen.

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