Deutschland schafft sich ab

„Deutschland schafft sich ab“ – So soll das neue Buch von Thilo Sarrazin heißen, in dem er sich über die Gefahr für die den Intellekt und den Wohlstand des deutschen Volkes ausläßt. Dadurch stößt er viele Diskussionen an, von denen vermutlich keine unmittelbar zum Ziel führen wird. Unmittelbar werden sie allerdings auf die eine oder andere Weise Einfluß auf das politische Denken nehmen.

Was in den Hinterköpfen passiert

Bildumfrage: Sarrazin-Buch
Bildumfrage: Sarrazin-Buch
(Screenshot von BILD online)

Ein Grund dafür ist, dass Sarazzin thematisiert, was nicht thematisiert werden darf. Zum einen sind das ethnische oder gar rassistische Konflikte, die sich in manchen Hinterköpfen abspielen. Eine offene Ausländerfeindlichkeit oder gar Rassismus ist glücklicherweise gesellschaftlich nur noch in wenigen Kreisen akzeptiert, jedoch geht dabei unter, dass viele dennoch Vorbehalte hegen, die nun unausgesprochen bleiben. Unter dem Deckmantel der Sorge um den Staat und im Windschatten von Thilo Sarrazin können solcherlei Vorurteile nun wieder nach draußen brechen. Und es wäre gut, sich mit diesen auseinanderzusetzen. Zum einen, um einen eventuell schwelenden Brand zu bekämpfen, zum anderen lassen sich Vorbehalte und Probleme nicht lösen, wenn man darüber schweigt. Die politische Sprache hat derzeit wenige Worte für solche Konflikte. Das Volk hingegen hat dafür die BILD-Zeitung.

Die Rasse

Insgeheim sind wir doch alle stolz, Deutsche zu sein, egal was wir offiziell behaupten und egal wie falsch das allein sachlich schon ist, schließlich haben wir nichts dafür getan, dass es so ist. Aber wir sind Papst, zweifacher Fussballweltmeister der Herzen und Ex-Exportweltmeister. Haben Goethe, Schiller und Lena hervorgebracht und sind fleißig, pünktlich und zuverlässig. Nur kennen wir die Errungenschaften der anderen Völker weniger, weil sie nicht in unseren Zeitungen stehen oder auch, weil sie Leistungen in Gebieten umfassen, die bei uns weniger hoch bewertet werden. Im Prinzip kämpft jeder Ausländer in jedem Land mit seiner kulturellen Andersartigkeit. Umgekehrt ist allerdings auch nicht zu viel verlangt, als Ausländer in einem Gastland, weitreichende Zugeständnisse zu machen.

Sarrazin scheint jedoch weiterhin eine biologische Andersartigkeit anzuführen. Diese ist auch offensichtlich und macht sich oft bereits im Aussehen bemerkbar. Es wäre auch denkbar, dass eine bestimmte „Rasse“, um diesen gefährlichen Begriff dennoch zu gebrauchen, tatsächlich im Schnitt weniger intelligent ist, schließlich unterscheiden sich die körperlichen Merkmale ja auch. Doch, selbst wenn dies nachweisbar wäre, was wollte man davon ableiten? Dass weniger intelligente Rassen minderwertig sind? Dass sie deshalb ausgrenzt werden müssen, weil sie weniger „wert“ sind? Diese Argumentation allerdings wäre rassistische Diskriminierung, egal ob sie auf falschen Behauptungen oder nachweisbaren Fakten beruht.

Die Polemik

Wenn Sarrazin den Muezzin hören will, dann reist er ins Morgenland. Der Obst- und Gemüsehandel ist kein sonderlich ehrenwertes Gewerbe und kleine Kopftuchmädchen sind Menschen von zumindest zweiter Klasse. Diesen Eindruck muss man haben, wenn Sarrazin spricht. Durch griffige Schlagworte und polemische Übertreibungen übernimmt Sarrazin die Rolle des Rufers, der provoziert, um Gehör zu finden. Anscheinend geht es leider nur so, eine breite Diskussion zu entfachen, statt sich sachlich zu äußern. Ob eine derartig gestartete Diskussion überhaupt noch sachlich zu führen ist, wird sich zeigen. Die Frage, ob Sarazzin sich der Polemik lediglich bedient oder diese seine Geisteshaltung widergibt, bleibt dabei zweitrangig.

Die Argumente

Sarazzin liefert einige davon, während sich seine Kritiker noch auf dem Niveau von „das darf nicht sein“ bewegen. Ob die Studien und Beobachtungen sachlich korrekt sind, ob es ebensolche Studien gibt, die Sarazzin widerlegen, also letztlich ob und wo Sarazzin mit seinen Äußerungen recht hat, das gilt es herauszufinden. Durch die einleitende Polemik sind wir derzeit noch fern von dieser Ebene. Generell mangelt es bei den Argumenten aber in jeder Diskussion an allgemein akzeptierten Grundlagen. Für jede noch so unsinnige Behauptung findet man einen Akademiker und eine Studie der sie stützt und einen der sie widerlegt. Möglicherweise fehlt es an einem weithin akzeptierten Gremium, das Meinungen wissenschaftlich hinterlegt, wie es etwa das IQWIG in der Medizin tut.

Die Schlußfolgerungen

Sarrazin als Initiator der Debatte hat den Vorteil, sich bereits über Schlußfolgerungen Gedanken zu machen. Wenn er mit seinen Beobachtungen Recht hat, entscheidet er sich für die einfachste Lösung, nämlich die Zuwanderung zu stoppen. Dabei ist er anscheinend schlau genug, nicht folgerichtig die Ausweisung aller „nutzlosen“ Ausländer zu fordern, die bereits hier sind. Doch die anderen Gründe, die zu großen Teil im sozialen Bereich liegen und oft überhaupt erst zu Ausgrenzung führen, bleiben außen vor. Sollte Sarrazin recht haben, wären diese aber eher ein sinnvoller Ansatzpunkt.

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