Sarrazin und die Folgen

Ich habe mich ja bisher weitgehend dagegen entschieden, etwas zum Fall Sarrazin zu schreiben, denn dass haben ja viele bereits getan, so dass meine Meinung da im allgemeinen Rauschen untergegangen wäre. Alles was mir bisher an Text eingefallen war, war der Kalauer „die SPD bekämpft Kopftuchmädchen mit Sarrazin“, den ich aber dann doch nicht so intelligent fand. Habe ich dann deshalb auch gelassen, denn so witzig war es nicht, sondern traurig und auch irgendwie falsch, denn die SPD versucht Sarrazin irgendwie loszuwerden.

Dies könnte allerdings schwer werden, denn die SPD-Basis ist damit nicht unbedingt einverstanden. Denn schließlich sind die Misstände bei der Integration, die Sarrazin behauptet, für viele real zu beobachten, so dass sich auch Angela Merkel der Integrationsdebatte nicht gänzlich verschließen kann. Damit hat es Thilo Sarrazin also geschafft, eine Integrationsdebatte anzustoßen. Allerdings hat er durch seine Rassenrehetorik diese Diskussion auch gleich von Beginn an anschwert. Es bleibt zu hoffen, dass sich dennoch eine fruchtbare Debatte entwickeln kann.

Der Fall Sarazzin wirft aber auch noch ein anderes Licht auf die deutsche Politiklandschaft, in der sich Schlüsselpersonen „verfassungsungemäß“ verhalten, so dass die Verfassung zumindest Schwierigkeiten hat mit ihren Rücktritten oder Entlassungen rechtlich sauber umzugehen. Dies war im Fall des Rücktritts von Bundespräsident Köhler bereits ein verfassungsrechtliches Problem und auch die Entlassung von Thilo Sarrazin aus dem Bundesbankvorstand scheint nicht so einfach zu sein. Nun hat sich rausgestellt, dass der Bundespräsident den Bundesbanker entlassen kann und die Bundesbank hat auch bereits ein entsprechendes Ersuchen an den Bundespräsidenten gestellt. Doch Christian Wulff hat sich selbst frühzeitig zum Fall Sarrazin geäußert und gerät ob der unerwarteten Entscheidungsmacht nun in eine Zwickmühle, ob er sich unvoreingenommen entscheiden kann. Darum schiebt er den schwarzen Peter letztlich wieder weiter an die Regierung. Ein souveräner und vermittelnder Bundespräsident sieht anders aus. Eine an die neuen politischen Machtspielchen anpasste Verfassung auch.

Ob Sarrazin das Bundesbankamt verliert oder nicht steht noch in den Sternen. Seine Zukunftsaussichten sehen aber so oder so nicht schlecht aus. Nicht nur, dass ihm die Einnahmen seines Buches einen ordentlichen Profit in die Tasche spülen. Er wird auch als Anführer einer lange prognostizierten Rechtspartei gehandelt, die quasi für die CDU sein soll, was die Linke für die SPD ist. Wenn so eine Partei käme, würde sie vermutlich die Stimmen der dahinsiechenden extremen Rechten aufsaugen können. Inwieweit aber eine Unzufriedenheit mit der Integrationsproblematik einer Partei viele Wählerstimmen zuschanzen wird, darf als zweifelhaft bezeichnet werden. Der Fall Sarrazin ist auf jeden Fall möglicherweise nicht vorbei, sondern hat vielleicht noch gar nicht richtig angefangen. Zu erhoffen ist eine sachliche Diskussion über Integration, nicht ganz überflüssig eine über Meinungsfreiheit. Bei der geht es jedoch micht nur um das, was man sagen darf, sondern um das Wie.

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