Dümmer als die Polizei erlaubt

Videos von der Pressekonferenz

Erst jetzt sehe ich, dass die Polizei am Dienstag (05.Okt) vormittags anscheinend eine Pressekonferenz einberufen hat, in der sie den viel kritisierten Einsatz in Stuttgart vom 30.September aus ihrer Sicht darstellt und rechtfertig. Diese wurde anscheinend live auf ntv übertragen. Diese Übertragung findet sich in drei Teilen auf Youtube, wobei insbesondere, das Ende des zweiten Teils und der Anfang des dritten interessant sind:

Inhaltlich: Weniger Gewalt als in einer Vorabendserie

Ab Minute 10:00 im zweiten Youtube-Teil (man kann mit dem Schieberegler direkt dorthin springen, und muss nicht warten, bis die ersten 10 Minuten geladen sind) und im dritten Youtube-Teil sieht man die Vorführung eines Videos, das aus Polizeiaufnahmen zusammengestellt ist und belegen soll, in welchem Umfang die Gewalt von Demonstranten ausgegangen ist. Und darauf sieht man so gut wie nichts. Das heisst: ein paar Szenen, wo einzelne etwas werfen (in meinen Augen Kastanien und in mindestens einem Fall eine Flasche), einige brennende Feuerwerkskörper. Ansonsten sieht man dort Geschubse, welches bei einer Räumung wohl normal sein sollte und haufenweise passiven Widerstand und Besetzung von Fahrzeugen (das hat die Polizei wohl besonders übel genommen). Insgesamt nichts, was den harten Einsatz der Polizei auch nur annähernd rechtfertigt.

Und in meinen Augen ist dies dann auch das letzte fehlende Beweisstück, das zeigt, dass die Gewalt sehr wohl von der Polizei ausging. Auf solch einer Demonstration hat die Polizei zahlreiche an Fahrzeugen installierte Kameras und mobile Kamerateams im Einsatz. Und man kann aufgrund der Kritik davon ausgehen, dass sie in diesem Videomaterial wirklich ganz genau nach Gewaltszenen gesucht haben.

Die Videos von Handyaufnahmen zeigen im Vergleich dazu ein anderes Bild und sind teilweise gar als nicht mehr jugendfrei klassifiziert ( http://www.youtube.com/verify_age?next_url=http%3A//www.youtube.com/watch%3Fv%3DW1UYd5LDQXA%26feature%3Dplayer_embedded#at=47 ). Hier kann man das Video allerdings noch ohne Anmeldung sehen, sofern man bestätigt, über 18 Jahre alt zu sein: http://www.myvideo.de/watch/7785680/glanzleistungen_der_polizei_bei_der_schuelerdemo_gegen_s21_am_30_09_2010 . Es gibt zahlreiche ähnliche Videos, die im Internet kursieren.

Glaubwürdigkeit verspielt

Normalerweise haben die Polizei und ihre Führung immer ein Glaubwürdigkeitsbonus. Doch anscheinend endet diese Neutralitätsvermutung, wenn die Polizei selber in der Kritik steht. Trotz der in meinen Augen spätestens jetzt erwiesenen Tatsache, dass die Gewalt von der Polizei ausging, leugnen polizeiliche und politische Führung, dies vehement. Dazu verdreht sie Tatsachen oder verbreitet möglicherweise gar bewußt Unwahrheiten. So spricht der Kommentator des Polizeivideos widerholt von Steinwürfen, obwohl selbst das Innenministerium diese Behauptung bereits zurücknehmen musste. Am Ende des zweiten Youtube-Videos (nach etwa 13:15 Minuten) führt der Sprecher zur Einblendung von 12:29 Uhr des Polizeivideos an, dass die Friedfertigkeit der Polizei auch daran zu erkennen sei, dass die Polizeibeamten hier noch keine Helme getragen hätten. In den 40 Sekunden davor sieht man jedoch ausschließlich Einsatzkräfte mit Helm (laut Einblendung im Polizeivideo ist das bereits um 12:24 Uhr) und spätestens zwei Minuten Realzeit später ist von helmlos gar nichts mehr zu sehen.

Ich glaube, die Polizeiführung in Baden-Württemberg lügt

Eigentlich hoffe ich eher, sie lügt, denn wenn sie das, was sie verbreitet, tatsächlich glaubt, gehört die Polizei und deren Führung ganz dringend umgebaut, weil es ihr an ethischem, sachlichem und demokratischem Verständnis mangeln würde.

Nach der Pressekonferenz und dem gezeigten „Beweisvideo“ sehe ich die Tatsache, dass die Gewalt von der Polizei ausging, nur umso stärker belegt. Zudem gibt es in dem Video selbst einige starke Dehnungen der Wahrheit. Es belegt lediglich, dass es einzelne Gewaltakte gegeben hat, was für mich unstrittig war. Aber das Werfen von Kastanien und einiger Flaschen und Feuerwerkskörper rechtfertigt keineswegs auch nur ansatzweise diesen Polizeieinsatz.

Insgesamt steht für mich damit die Öffentlichkeitsarbeit der ganzen Polizei, zumindest, was den Einsatz auf Demonstrationen angeht in, Frage. Selbst die (definitiv vorhandene !) Gewalt von den „schwarzen Blocks“ etwa auf den „Mai-Demonstrationen“ relativiert sich möglicherweise insoweit, dass sie zwar ebenso nicht gerechtfertigt ist, aber zumindest eine Reaktion ist auf die Gewalt der Polizeieinsatzkräfte. Derartige Aussagen von gewaltbereiten Demonstranten entschuldigen für mich zwar weiterhin nicht sie ausgeübte Gegengewalt, aber sie werden glaubhafter.

Polizei dein Freund und Helfer ?

Problematisch ist das Ganze, weil einzelne Teile der Polizeikräfte und besonders schlimm, deren Vorgesetzte das Bild der ganzen Polizei ruinieren. Wenn jedoch am Ende der einfache Polizist als feindlich gesehen wird, wird die Staatsgewalt feindlich, wird der Staat feindlich. Der Staat aber, das sind letztlich wir Bürger. Und die Polizei wird von uns legitimiert und bezahlt (meist zu schlecht, aber das ist ein anderes Thema), um uns zu schützen. Im Augenblick bedroht sie uns. Zumindest diejenigen, die es wagen, eine Meinung zu äußern, die einigen Machtpolitikern nicht in den Kram paßt. Und das ist das Erschreckende.

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2 Antworten

  1. Helge sagt:

    Zu erwaehenen waere auch noch, dass die „Gewaltszenen“ die die Polizei bei den Demonstranten ausmacht alle NACH der Eskalation der Polizei sind.

    Ein Beispiel ist hier der „Sprayer“ mit dem ja das „Zurueckspruehen“ der Polizei erklaert wird. Nicht nur sieht der „Sprayer“ hoechst verdaechtig aus, er kommt auch Stunden zu spaet um als Begruendung herzuhalten.

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