Schuldenschnitt im Casino

Während gestern Nacht noch über einen Schuldenschnitt für Griechenland verhandelt wurde, habe ich dagesessen und mich über das Finanzsystem geärgert. Sicher ist es kein sprachliches Meisterwerk geworden und vielleicht im Detail nicht ganz korrekt, aber wenn man es einfach formulieren will, scheint unser Finanzsystem wie folgt zu funktionieren:

Börsen sind ein Casino, wo man ein Spiel spielen kann, bei dem den ganzen Tag sekundengenau Preise für Wertpapiere festlegt werden, die ohnehin da sind. Warum man die nicht wie andere Dinge ganz normal zu Preisen verkaufen kann, die sich alle paar Monate oder zur Not einmal täglich ändern, ist unklar. So wichtig scheint das mit den sekundengenauen Preisen aber auch nicht zu sein. Denn sonst würden Börsen nicht um 18 Uhr schließen oder Wochenende machen. Auf irgendeine Weise wird das Ganze aber nicht als Spiel bezeichnet, sondern als Wirtschaftsmotor. Allerdings gibt es auch Fernsehsendungen, Hollywoodfilme und ganze Städte in der Wüste, in denen es ums Zocken geht. Wo Glücksspiel ein Sport für Gentleman ist. Erstaunlich, dass die Wirtschaft nicht anhand der Ergebnisse von Ascot, Wimbledon oder im Pebble Beach Golf Ressort gemacht wird.

Und immer heißt es, alle spielen mit und nun läuft es eben mal nicht so gut. Ich stelle mir das in etwa so vor: Ich sitze abends nach der Arbeit schön mit einem Bier und dann klingelt es an der Tür und davor stehen zwei Polizeiamte als Repräsentanten des Staats. Und die erzählen mir, dass drüben im Spielcasino jemand wahnsinning Pech gehabt hat und nun kann er seine Schulden nicht bezahlen. Und als ich mich noch frage, was das mit mir zu tun hat, halten sie die Hand auf und wollen meinen Anteil an den Schulden. Abgesehen davon, dass ich nicht mal mitgekriegt habe, was drüben im Casino gespielt wird, frage ich mich, wo denn die Briefe mit den Geldbündeln sind, die ich hätte bekommen müssen, als es besser gelaufen ist.

Natürlich spielen die nicht wirklich Casino, das wäre ja viel zu riskant. Man gründet einfach eine Bank und leiht sich dann von der EZB eine Handvoll Milliarden Euro und die EZB denkt, dass man das Geld dann an Firmen und Bürger weiter verleiht und so die Wirtschaft in Gang hält. Aber als Bank ist man ja nicht so blöd und verleiht das für einen Minizins an Firmen und Bürger, sondern man kauft Griechenlandaktien, wo man 10% Zinsen bekommt. Damit kriegt man 9% effektiven Zinsgewinn einfach so. Das Risiko ist natürlich, dass so fiese Länder wie Griechenland nicht genug Oliven und Schafskäse produzieren und dann ihren Beamten keine 100000 Euro im Jahr zahlen können und erst recht ihre Schulden nicht mehr bezahlen. Dann ist man als Bank halt pleite, denn natürlich hat man gleich für ein paar Milliarden Staatsanleihen gekauft von Geld, das man selber auch nur geliehen hat. Wenn man zum Beispiel als Deutsche Bank nur etwa 25 Milliarden wert ist streckt man dann eben die Füße. Das ist aber trotzdem noch ein tolles Geschäft, denn die Verluste muss man ja nicht zurückzahlen, wenn man nichts mehr hat. Und als Bankmanager muss man sowieso gar nichts zurückzahlen, sondern bekommt noch eine Abfindung.

Aber es kommt noch viel besser. Weil man ja nebenher für einen Minizins doch einen kleinen Teil an Firmen und Bürger verliehen hat, wobei man übrigens auch seinen Schnitt gemacht hat, ist man systemrelevant. Das heißt, man darf nicht pleite gehen, weil sonst niemand mehr Geld bekommen würde. Denn die EZB die verleiht kein Geld an Firmen und Bürger, weil… (hier ist etwas nicht zuende gedacht).

Die EZB verleiht eben kein Geld an Firmen und Bürger. Dafür kauft sie aber den Banken ihre Schrottpapiere ab, damit sie ihnen weiterhin für ein Prozent Zinsen Geld leihen kann, das dann… (hier ist schon wieder etwas nicht zuende gedacht). In jeder Pokerrunde muss es eben einen Doofen geben, also hier die EZB und die Staaten die den Rettungschirm bezahlen. Das ist also die Rolle des Steuerzahlers, der nicht mal mit am Tisch sitzen und ein Glas Champagner trinken darf. Und nicht nur des Steuerzahlers, sondern auch der, die keine zahlen, denn für Rente, Bildung und Sozialleistungen ist dann auch kein Geld mehr da.

Lustigerweise spielen bei dem Spiel noch ein paar andere mit. Versicherungen zum Beispiel. Denn auch, wenn pleite gehen für Banken nicht so schlimm ist, nervt es sie doch ein bisschen. Und weil sie wissen, dass ihre Staatsanleihen nicht alle super sicher sind, versichern sie diese gegen Ausfall. Sie zahlen also etwas von ihrem Riesengewinn an eine Versicherung und die müssen dafür die Schulden zurückzahlen, wenn Griechenland das nicht mehr kann. Das ist quasi so, wie wenn ich mein Haus gegen Feuer versichere und Geld kassiere, wenn ich doch mal Pech habe. Dumm nur, wenn, wie im Fall der Griechen, die Versicherungen irgendwelchen unbekannten Marktteilnehmern eine Versicherung über dein Haus verkaufen. Und irgendwann wundert man sich dann, wenn das eigene Haus brennt und andere daran noch verdienen.

Wer jetzt denkt, dass die Versicherungen aber ganz schön dumm sind, weil die ja jetzt alles zahlen müssen, kann beruhigt sein. Das können die gar nicht. Der größte sogenannte Rückversicherer die Münchner Rückversicherung zum Beispiel hat einen Marktwert von 18 Milliarden Euro. Und die versichern nicht nur Wertpapiere, sondern alles Mögliche wie zum Beispiel Naturkatastrophen weltweit. Griechenland hat 270 Milliarden Schulden, Italien sogar 1,8 Billionen. Zum restlichen Prozedere: siehe Banken.

Occupy Wallstreet.

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Eine Antwort

  1. Oliver sagt:

    „Und irgendwann wundert man sich dann, wenn das eigene Haus brennt und andere daran noch verdienen.“
    Schönes Bild und erschreckend realistisch…

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