Diese Wulffs…

Gerade habe ich das Interview von Bundespräsident Wulff im Fernsehen gesehen und das wirft einige Fragen für mich auf und läßt andere ältere unbeantwortet. Daher will ich einmal versuchen, die Sache für mich einzuordnen.

Ist Moral parteipolitisch ?

In der vorangegangenen tagesschau gab es Stimmen der einzelnen Parteien durch ihre Vertreter zu der Lage. Die erste Frage ist schon, wieso sich überhaupt Parteien äußern sollten. Letztlich könnte man das als eine Abwägung der Ausgewogenheit durchgehen lassen, nur einen Vertreter jeder Partei zu Wort kommen zu lassen. Doch ist das Verhalten Wulffs überhaupt eine parteipolitische Frage? Ist es denkbar, dass das Handeln des Präsidenten von den Parteivertretern unterschiedlich beurteilt wird? Ich denke nicht. Die Bewertungen der moralischen Frage sind wie immer von parteipolitischem Kalkül geprägt. Und so fallen SPD, Linke und Grüne erwarrtungsgemäß dem Bundespräsidenten in den Rücken, während die CSU, vertreten durch Horst Seehofer, versucht, den Präsidenten zu stärken. Bezeichnend ist immerhin das ausbleibende Kommentieren seitens der CDU. Nur letztlich kann das nicht richtig sein. Das Verhalten Wulffs war definitiv zumindest in Teilen zu beanstanden und auch die möglichen Konsequenzen werden sich daraus zumindest für jeden individuell ergeben. Es kann nicht sein, diese Einschätzung aufgrund parteipolitischer Erwägungen zu verschärfen oder abzuwiegeln. Das macht Politik insgesamt unglaubwürdig.

Welchen moralische Anspruch hat der Bundespräsident in seinem Amt?

„Menschen machen Fehler“, nimmt Christian Wulff für sich in Anspruch und damit hat er recht. Nur haben Fehler eben auch zumeist Kosequenzen. Konsequenzen, die Herr Wulff, wie viele andere Politiker vor ihm auch, nicht auf sich nehmen will. Auch das ist menschlich. Nur ist das Bundespräsidentenamt eben nicht irgendein Amt, sondern ein repräsentatives, das als wesentliche Qualifikation verlangt, Vorbild zu sein. Diese Qualifikation hat Wulff in der Kreditaffäre und in dem Umgang damit vermissen lassen. Das stellt nicht nur in Frage, ob er diese Qualitäten überhaupt in ausreichendem Maße besitzt. Auch, wenn er sie in Zukunft nachweisen kann, bleibt das Amt und die Vertrauenswürdigkeit seiner Person auf absehbare Zeit beschädigt, was seine Eignung bereits aus technischer Sicht in Frage stellt.

Wie privat ist man als Bundespräsident?

Christian Wulff behauptet, die ihm vorgeworfene Salamitaktik rühre daher, dass er Informationen, die er seinem privaten Umfeld zurechnet, nicht von sich aus preisgeben wollte. Ich gehe zwar auch nicht bei der Forderung seiner Interviewerin Bettina Schausten mit, dass ich es für erforderlich halte einen privaten Besuch bei Freunden mit 150 Euro zu vergüten. Einen kostenlosen Urlaub im Ferienhaus hingegen während der Amtszeit aus moralischen Gründen während der Dauer der Amtszeit abzulehnen, halte ich aus moralischer Sicht für geboten und denke, dass jeder meiner Freunde mich da verstehen würde.

Erstaunt hat mich die Tatsache der langjährigen Freundschaft mit seinen Gönnern, die eine implizite Bestechlichkeit auf jeden Fall unwahrscheinlicher scheinen lässt, als handelte es sich um relativ kurze und rein geschäftliche Freundschaften. Wenn diese alten Freundschaften zu Wirtschaftsvertretern bestehen, kann man von Wulff nicht verlangen, diese komplett zu leugnen oder zu unterbrechen, wohl aber, wie oben schon gesagt, auf finanzieller Ebene zeitweise auf Eis zu legen. Erschreckend ist dabei jedoch außerdem, dass diese Freundschaften so überhaupt existieren. Dass hochrangige Politik- und Wirtschaftsvertreter tatsächlich privat befreundet sich, zeigt auch den inneren Zusammenhalt einer herrschenden Klasse: Jeder kennt letztlich eben jeden und man bleibt irgendwo unter sich. Ein „normaler Bürger“ hingegen kennt bestenfalls den Kreisleiter der regionalen Sparkasse.

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