Grenzen der Meinungsfreiheit

Das Verfassungsgericht hat anscheinend in einem Verfahren, bei dem es um die Leugnung des Holocaust ging, entschieden, dass in diesem Einzelfall eine derartige Leugnung straffrei bliebe. Soweit ich es verstehe, ging es dabei um einen Anhänger des Nationalsozialismus, der in einem Vier-Augen-Gespräch einen Kneipenwirt von der Kriegsunschuld der Deutschen im Zweiten Weltkrieg überzeugen wollte und ihm als Überzeugungshilfe zwei Hefte gab, in denen unter anderen auch der Holocaust geleugnet wurde. In den beiden Artikeln, die ich gerade gelesen habe, gibt es einige Dinge, die ich nicht verstehe:

„Unter den Schutz des Artikel 5 des Grundgesetzes fallen Meinungsäußerungen – egal ob „sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden“, heißt es in der Begründung aus Karlsruhe. Dementsprechend falle „selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts als radikale Infragestellung der geltenden Ordnung“ nicht von vornherein aus dem Schutzbereich.“

Soweit ich weiß, wird die Meinungsfreiheit da begrenzt, wo andere Interessen betroffen sind. Also etwa bei Beleidigungen, Mordaufrufen oder eben Volksverhetzung kann ich mich nicht erfolgreich auf die Meinungsfreiheit berufen. Diese Dinge fallen vielleicht streng genommen „nicht von vornherein aus dem Schutzbereich“, aber nach Prüfung schon. Oder was verstehe ich hier falsch?

„Das BVerfG sah in diesem Fall jedoch nicht die Holocaust-Lüge als die entscheidende Äußerung des Kneipengastes an. Der Mann habe sie lediglich als Teil eines „einleitenden Begründungsversuchs“ genutzt“

Das kann ich auch nicht nachvollziehen. Gibt es hier die „einleitende Meinungsäußerung“ quasi als Meinungsäußerung zweiter Klasse? Darf man nun etwa straffrei die Holocaust-Lüge verbreiten, wenn man sie als einleitende Begründung vor eine andere Behauptung schiebt?

„Zwei Tage später kehrte er zurück, um dem Wirt mehrere Schriften zur „Kriegsschuldlüge“ zu übergeben. In diesen Schriften wurde auch der Holocaust als Lüge dargestellt.“

Ich weiß zwar nicht, wie es genau abgelaufen ist, aber angenommen, ich benutze als Argumentationshilfe eine Schrift, in der (womöglich gar ohne mein Wissen) auch der Holocaust geleugnet wird, mache ich mich dadurch strafbar?

„Strafbar ist die schriftliche Holocaustleugnung allerdings nur, wenn die Schriften „verbreitet“ werden. Die Thüringer Gerichte nahmen an, dass ein Gastwirt diese eventuell in der Wirtschaft auslegen werde und der Altnazi dies auch erhofft habe. Die Verfassungsrichter hielten diese Auslegung jedoch für abwegig“

Heißt das, dass eine problematische Meinungsäußerung im Vier-Augen-Gespräch straffrei bleibt? Darf ich im Vier-Augen-Gespräch meinem Chef ungestraft ein paar karriereknickenden Unwahrheiten über meinen Kollegen sagen? Geht das auch noch im Sechs-Augen-Gespräch oder kann ich beliebig viele dieser Vier-Augen-Gespräche führen?

Ich hoffe ja, dass demnächst eines der juristischen Blogs die Sachlage aufgreift und so erklärt, dass ich sie verstehen kann.

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