Zinsgrenzen unter Beschuss
Bei einer Meinungsbildung kann es immer auch hilfreich sein, eine Gegenmeinung zu lesen. Da ich persönlich die Einführung einer Zinsgrenze durch die EZB für fatal halte, möchte ich als alternative Meinung den Artikel von Jens Berger zu der Frage verlinken.
Dieser Artikel zeigt meines Erachtens auch deutlich, dass die Gegensätze zwischen „Rettungsbefürwortern“ und „Rettungsgegnern“, wenn man sie denn vereinfacht so nennen will, unüberbrückbar erscheinen. Was zumindest auch zu erwarten war, da „ein bisschen retten“ anscheinend nicht gut funktioniert.
Aus meiner Sicht enthält der Artikel von Jens Berger ein paar grundlegende Fehler, die mir aus meiner Position heraus als haarsträubend erscheinen. Gleich zu Beginn schiebt er in meiner Wahrnehmung das Argument, dass eine Zinsgrenze den Reformdruck von den Krisenländern nehmen würde, en passant und zwischen den Zeilen und ohne Begründung beiseite: „Wer jedoch glaubt, dass „die Märkte“ stets rational agieren und eine Entschärfung der Eurokrise den „Reformdruck“ von den angegriffenen Staaten nehmen würde, kann auch kein Interesse an einer politischen Deeskalation der Krise haben.“ Das halte ich für polemisch und unredlich, da ich den Reformdruck zwar nicht für den wichtigsten, aber doch für einen wichtigen Aspekt halte.
Die Ablehnung von Reformdruck, die ich Jens Berger dadurch unterstelle, meine ich dann auch in der folgenden Argumentation zu finden, die im Prinzip sagt, es wären ja nicht die Schulden, sondern die Zinsen, die die Staaten belasteten. Mit einem Unterton, der mir sagt, die armen Staaten könnten ja nichts dafür, dass nun plötzlich die bösen Zinsen so gestiegen seien. Das Argument der „unverschuldeten Krise“ ist dabei schon im wörtlichen Sinn widersprüchlich, denn es ist eben gerade die übermäßige Aufnahme von Schulden, die die Staaten in ihre Lage geführt hat. Insofern wäre die wirkliche Lösung auch nicht die Verringerung oder Deckelung der Zinssätze, sondern die der Schulden.
Nebenbei bemerkt zweifelt Jens Berger anscheinend auch nicht an der Behauptung, dass es (zumindest in etwa) die von der EZB willkürlich gesetzten Zinssätze sind, ab denen Staaten unwiderruflich abstürzen müssen. Allerdings habe ich diese „Tatsache“ bislang auch immer so hingenommen.
Im folgenden sehe ich im Wesentlichen Behauptungen, wie die, dass Märkte irrational seien oder die Austeritätspolitik das Ausfallrisiko von Anleihen erhöht (letzeres glaube ich auch, zumindest insoweit, sobald kein Dummer Dritter mehr für die Schulden aufkommen will), die mir nicht begründet erscheinen. Ich kann sie ohne Aufwand nicht bestätigen oder Widerlegen – und gerade in der „hochkomplexen Finanzwelt“ wird man ohnehin für beides eine Meinung finden. Dieses Behaupten finde ich prinzipiell legitim, weil es für einen Blogger zumindest schwierig ist alles nahtlos zu recherchieren und zu begründen. Ich arbeite oft ebenso, allerdings fiel mir Jens Berger öfter dadurch auf, ansonsten besser zu recherchieren und Begründungen zu bieten.
Auch im Schlussteil irrt Berger, wie ich finde, wieder gewaltig, wenn er eine Isolierung Deutschland in Europa beklagt. Denn es ist in meinen Augen eben nicht Deutschland, das diese Isolierung (allein) zu verantworten hat. Es ist zu einfach, jemanden zum Zahlen aufzufordern und hinterher mangelnde Großzügigkeit anzuprangern. Dieser Gegensatz zwischen „Gib‘ mir, du hast doch“ und „Hab schon gegeben. Der Rest ist meins.“ ist es, der der Europäische Idee gerade massiv an die Wand fährt. Europäische Werte sind derzeit rein finanzielle Werte. Ich finde jedoch, dass man sich Freunde nicht durch vermeintliche Großzügigkeit kaufen kann. Insofern finde ich es auch nicht schlimm, wenn einige in Europa böse auf Deutschland sind.