Armes Deutschland
Angeblich 67,60 Euro pro Kopf beträgt der „Zinsverlust“ der deutschen Sparer durch die Finanzkrise. Dies ergibt angeblich eine Studie der Allianz. Gemeint ist damit vermutlich die Mindereinnahme durch Zinserträge wegen der geringen Zinssätze, die sich insbesondere aufgrund des Krisenmanagements der EZB massiv gesenkt haben. Die Maßnahmen der EZB wie etwa die Senkung des Leitzinses führen also zu einer geringeren Verzinsung von Sparguthaben und so zu geringen Einnahmen der Sparer. Auf diese Weise zahlen Sparer zu einem großen Teil für die Finanzkrise und die Maßnahmen diese zu bekämpfen.
Dabei halte ich die Zahlen der Allianz für äußerst irreführend, da sich die tatsächliche Betroffenheit nicht nach irgendeinem abstrakten gesamtdeutschen Durchschnitt berechnen lässt. Faktisch sind insbesondere Menschen betroffen, die im Laufe ihres Lebens ein Sparguthaben angesammelt haben, dass zu ihrer Altersvorsorge dienen soll. Haben Sparguthaben vor wenigen Jahren noch problemlos zwei Prozent Zinsen abgeworfen, hat man heute Mühe, sein Geld für ein Prozent Zins anzulegen. Der Zinsverlust beträgt für die meisten Sparer also mindestens einen Prozentpunkt, eher sogar 1,5 – 2 Prozent.
Ein Prozent weniger Zins führt bei einem für die Altersvorsorge gedachten Sparguthaben von 50.000 Euro bereits zu einer jährlichen Mindereinnahme von 500 Euro. Die Zahl von 67,60 Euro halte ich nicht nur für unglaubwürdig. Selbst wenn sie nach einer nachvollziehbaren Rechenmethode korrekt ermittelt ist, verharmlost sie doch die Verluste, die Zigtausende von Kleinsparern erleiden.
Als Ingenieur irritiert mich die Anzahl der signifikanten Stellen bei der Zahl 67,60 €. Aber wenn man sie mit der Anzahl der Bundesbürger multipliziert, ergibt sich die schöne Zahl von 5,5 Mrd. €
Aber das Ganze ist sowieso Kaffeesatzleserei. Warum nimmt man die Jahre 2003-2008?
Der Zins für Geld ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gesunken (mit 2 Ausreissern) weil einfach zu viel Geld da ist und wir haben nur deswegen keine nennenswerte Inflation, weil es sich auf zu wenig Menschen verteilt, bzw. weil es fast nirgends zu einer Warenverknappung kommt.
Es gibt kein Recht auf Zinsen, genau so wenig, wie es ein Recht auf Wertsteigerungen bei Immobilien gibt, oder ein Recht auf Mieter (falls man als Altersvorsorge irgendeine vermietete Immobilie hat).
Die Zahl 67,60 halte ich ebenfalls für aus der Luft gegriffen, wobei ihre Multiplikation eine gute Erklärung der Herleitung bietet. Allerdings beschreibt (oder wie ich finde: verharmlost) sie ein Phänomen, dass Sie auch nennen: der Zins für Geld ist massiv gesunken. Auch wenn es außer bei „Anlagegütern“ eine recht niedrige Inflation gibt, ist dabei auch der Realzins deutlich gesunken.
Ein Recht auf Zinsen gibt es dabei sicher nicht. Allerdings hat der ausbleibende Zinsertrag natürlich Folgen für die Lebensplanung vieler Sparer. Durch die Zinspolitik der EZB werden künstlich Lasten auf sie übertragen, die eigentlich die Allgemeinheit oder richtiger noch die Verursacher der Wirtschaftskrise tragen müssten.
Unter Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer sind die Realzinsen schon länger negativ, je nachdem welche Anlageform und damit welches Risiko man gewählt hat. Ich glaube mit Sparbüchern war man sehr selten bei einem positiven Realzins.
Wer ist denn der Verursacher der niedrigen Zinsen? Der Aktionär, der Aktien der Deutschen Bank hält, diejenigen, die Mortgage Backes Securities „gebaut“ haben, oder diejenigen, die sie gekauft haben? Der Erste ist sich keiner Schuld bewusst, die Zweiten haben dann doch zuwenig Geld und der dritte hat sowieso schon einen Teilausfall seiner Einlagen.
Wer bestimmt denn, was ein fairer Zins ist? In aller Regel überlässt man das dem Markt und Millionen Eigenheimbesitzer freuen sich seit mindestens 5 Jahren über ein extrem niedriges Zinsniveau. Wer momentan Baugeld braucht zahlt etwas mehr als 2% Zinsen was ca. 1% über der Inflationsrate liegt. Die werden eine andere Meinung haben :-)
Es ist einfach zu viel Geld da und zu wenig Abnehmer, denen man dieses Geld auch anvertrauen möchte. Teilweise akzeptieren die Geldbesitzer sogar einen negativen Nominalzins. Man kann die Geldmenge natürlich reduzieren, allerdings reduzieren sich die Guthaben der Menschen und Unternehmen dadurch nicht.
Ich hatte immer den Eindruck, dass die Realzinsen in den Jahren vor der Krise durchaus recht positiv waren. Allerdings weiß ich auch nicht, inwieweit man die Kapitalertragsteuer mit dem sonstigen Steueraufkommen verrechnen kann. Nichtsdestotrotz ist das Realzins-Niveau aber gesunken und die Lage ist für Sparer nun schlechter als zuvor – mag das auch davor schon schlecht gewesen sein.
Meines Erachtens ist der Verursacher der hohen Zinsen die EZB, die (zu) viel Geld in den Markt gepumpt hat – die Gründe dafür widerum liegen sicherlich in der Finanzkrise und deren Ursachen. Da die Sparer sich jedoch direkt an die Banken wenden, um ihr Geld feilzubieten, tragen sie derzeit oft Eulen nach Athen. Insofern denke ich schon, dass die verringerung der Geldmenge den Sparern nützen würde.
Dass es immer auch Gewinner von niedrigen Zinsen gibt, liegt natürlich in der Natur der Sache. Neben den Häuslebauern ist das ob der Staatsverschuldung ja auch nicht zuletzt auch die Allgemeinheit. Nur geht es eben zu Lasten einer Bevölkerungsgruppe. In meinen Augen ist es praktisch, wenn auch nicht technisch, eine zusätzliche „Sparersteuer“, die zur Zeit erhoben wird.
Dies halte ich insofern für bedenklich, weil es dadurch eine Gerechtigkeitslücke geben könnte und die Verlässlichkeit der Lebensplanung leidet. In einer sozialen Marktwirtschaft halte ich das nur für bedingt akzeptabel und es muss ein paar Grundfesten geben, auf die der einfache Bürger vertrauen kann. In Bezug auf die Altersvorsorge sind dies meiner Meinung nach landläufig das (mit Einschränkungen) das Eigenheim, das Ersparte und die Rente. An diesen dreien zu rütteln, würde in meinen Augen einen Vertragsbruch bedeuten, auch wenn dieser unausgesprochen sein mag.