Wir müssen was gendern

Mittlerweile hat es die Gender-Debatte leider immer mehr aus der Nische, der versprengten Mädchinnen-Blogs hinaus geschafft. Es ist ja auch nicht so, dass die Debatte im Kern unberechtigt oder gar unwichtig wäre, das sehe ich selber auch gerne ein. Frauen sind in unserer Welt, zumindest aus der Sichtweise und den Zielvorstellungen meiner Männerwelt heraus betrachtet, eindeutig schlechter gestellt und werden benachteiligt. Und sicher zum Teil beruht die Benachteiligung auch aus der Schlechterstellung – quasi als self-fulfilling prophecy.

Nur halte ich es für falsch, Terror mit Terror zu bekämpfen. Etwa ein Magazin dafür an den Pranger zu stellen, dass es mehr Berichte über Männer bringt als über Frauen. Und dann die Daumenschrauben anzulegen, weil das Magazin für sich reklamiert, seine Berichtsobjekte nach sachlichen Interessegründen auszuwählen. Eine Ansicht, die ich auf den ersten Blick noch nicht einmal für dumm halte, aber selbst wenn sie es wäre, greift die Kritik zu kurz. Sie ist plakativ und oberflächlich. Warum macht man sich bei der Entrüstung nicht die Mühe und nennt konkret Alternativen, die bisherige Fragen genauso gut oder besser hätten beantworten, macht Vorschläge für künftige Themen und Personen, die sie befüllen könnten? Oder unterwirft sich und das Magazin den Gesetzen der Marktwirtschaft und lässt es im Regal liegen oder macht gar ein eigenes auf? Stattdessen wird ein Umdenken eingefordert, welches bei mir eher als Umerziehen ankommt und mir Unbehagen bereitet. Und zwar nicht, weil ich um meine previligierte Männerrolle fürchte.

Was mir noch das meiste Unwohlsein an den Vorwürfen gegen das Magazin bereitet, ist der in einem Nebensatz erwähnte, Hinweis auf den überproportional hohen Frauenanteil im Magazin, was den Werbeanteil angeht. Denn hier sehe ich Frauen meist offensichtlich oder unterschwellig auf ihre Körperlichkeit reduziert, was ich für wesentlich diskriminierender halte als die Abwesenheit von „wichtigen“ Frauen im Magazinteil. Und leider wird, als Randnotiz, den wenigsten dabei bewusst, dass mit solchen Anzeigen nebenher zugleich auch die Männer diskriminiert werden, denen man mit dieser Werbeform unterschwellig unterstellt, ihre (Kauf-) Entscheidungen in Wahrheit gar nicht mit dem vorgeblich überlegenen Kopf, sondern viel häufiger mit der Leistengegend zu treffen. Eine Annahme, die in meinen Augen durchaus ihre Berechtigung hat.

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Eine Antwort

  1. ix sagt:

    ein magazin, dessen aktueller titel „was wäre wenn wir die welt neu denken?“ lautet, wird von vielen leserinnen dafür kritisiert, dass es nicht weiter denkt als bis zum ersten besten gesprächspartner. was liegt da näher, als angesichts dieser zu 90 prozent sachlich vorgetragener kritik unbehagen zu spüren, weil diese aufforderung zum „umdenken“ wie „umerziehen“ ankommen könnte?

    und wäre es wirklich besser ein magazin, an dem man einen bestimmten aspekt zu kritisieren hat, nicht mehr zu kaufen, als öffentlich kritik daran zu üben, in der hoffnung dass es besser wird? in meiner welt kann man eine suppe noch als versalzen kritisieren, ohne ein überlegenes rezept vorzulegen oder eine kochmütze zu tragen.

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