Keine Zeit für große Gefühle
Es ist schon erstaunlich, wie die Medien versuchen, auf die Stimmung der Öffentlichkeit und der verantwortlichen Politiker einzuwirken. Sicherlich ist auch die Meinungsbildung ein Teil ihrer Aufgabe, doch für wesentlich wichtiger halte ich die neutrale sachliche Information. Vielleicht ist die Eurokrise den Medien auch zu kompliziert, um sie ihren Konsumenten zu erklären, doch dieser Mangel lässt sich dann eben nicht einfach durch mehr oder weniger begründete tendenziöse Meinungsmache ersetzen.
Doch allein bei Spiegel Online gibt es heute gleich zwei dieser teilweise unterschwelligen Appelle an Angela Merkel und an Wolfgang Schäuble, die in ihrem Tenor anzudeuten scheinen, dass Wolfgang Schäuble aus persönlichem Ärger den Austritt Griechenlands vorantreibt und Angela Merkel Größe zeigen würde, wenn sie die europäische Idee nicht kleinlich für ein paar Milliarden aufs Spiel setzen würde. Allzuoft wurde dazu in letzter Zeit nicht zuletzt von der Opposition an die persönlichen Gefühle der Kanzlerin appelliert, dass Angela Merkel doch nicht als die Regierungschefin in die Geschichte eingehen wolle, unter deren Führung die europäische Union auseinanderbricht. Aber vielleicht hat die Kanzlerin ja auch einfach nur Angst, in der historischen Rückschau zu derjenigen zu werden, die sich dreimal in Folge von Griechenland an der Nase hat herumführen lassen.
Sicherlich werden weder Wolfgang Schäuble noch Angela Merkel ganz an ihren persönlichen Gefühlen vorbeikommen. Doch wenn sich herausstellen sollte, dass diese der Antrieb ihrer politischen Entscheidungen wären, dann sollten sie schleunigst ihrer Ämter enthoben werden. Dies samt ihrem politischen Apperat, den Fachleuten, Beratern und nicht zuletzt ihren politischen Parteien und den Mitgliedern des Bundestags, wenn diese sich als nicht in der Lage erweisen sollten, solche politische Amokfahrt der Kanzlerin und ihres Finanzministers zu stoppen. Denn kein Kanzler und kein Minister sollte in Deutschland in der Lage sein, politische Prozesse im Alleingang zu bestimmen.
Wenn Medien und Opposotion jedoch auf die Gefühlebene setzen, statt sachliche Argumente vorzubringen, machen sie es sich nicht nur zu einfach. Sie geraten auch schnell in die Gefahr, bewusst oder unbewusst einer populistischen Polemik zu verfallen, die am Ende allen schadet, ohne dass man sie dafür verantwortlich machen könnte.