Einsam sind wir stark

Der Trend des Erstarkens rechter und nationalkonservativer Gesinnungen und Parteien ist insbesondere in Deutschland eine Folge der aktuellen Flüchtlingsproblematik. Dies gilt zudem nicht nur für die Länder, die aktuell eine große Zahl von Flüchtlingen ins Land lassen, sondern auch vorauseilend für alle Länder, die sich bei der Aufnahme kategorisch abschotten.

Dennoch war dieser Trend zum rechten Parteienspektrum bereits vor vielen Jahren erkennbar, bevor die Flüchtlingszahlen die heutigen Zahlen erreicht haben und bevor die meisten Menschen die Flüchtlinge überhaupt als ein Problem wahrgenommen haben. Die Flüchtlingskrise verstärkt letztlich nur eine Tendenz zur Hinwendung zu nationalen Interessen, die schon länger bestanden hat. Zu sehen ist dies meines Erachtens am Beispiel der AfD in Deutschland, die während der Griechenlandkrise bereits einen Höhenflug hatte, der dann mit der Wahrnehmung der Flüchtlingszahlen erneut aufflammte.

Die Gründe für diese Entwicklung ist meines Erachtens vielschichtig und unter Anderem ein Konglomerat aus den folgenden Ursachen:

Politikverdrossenheit:

Die Politik entfernt sich meines Erachtens immer weiter von seinen Bürgern und trifft immer mehr Entscheidungen, die für den einfachen Bürger nicht oder nur schwer nachvollziehbar sind. Einige Themen sind zwar komplex und schwer zu erklären, andere wie etwa TTIP oder Überwachung, werden künstlich verschleiert. Damit wird es immer schwerer für den Wähler, Entscheidungen aufgrund von rationalen Gründen zu treffen. Stattdessen entscheiden sie nach dem Bauchgefühl und im Zweifel erzeugt dies eine große Zahl von Nichtwählern und Protestwählern.

Egoismus, Mutlosigkeit und Wut:

Die Wohlstandsverteilung zwischen den einzelnen europäischen Staaten und zwischen den einzelnen sozialen Gruppen in diesen Staaten klafft gefühlsmäßig immer weiter auseinander. Dies führt dazu, dass immer mehr Menschen das Gefühl haben, dass es ihnen nicht gut geht und sie zu kurz kommen. Der Willen zu Solidarität und Gemeinsamkeit gerät dadurch immer weiter ins Hintertreffen zugunsten des Wunsches nach der Durchsetzung von Eigeninteressen und des rabiaten Wunsches ein Zeichen für dieses Eigeninteresse zu setzen.

Gemeinschaftsverdrossenheit:

Ausgerechnet das Modell, das einst angetreten ist, den nationalen Eigeninteressen entgegenzutreten und eine freundschaftliche und kooperative europäische Gemeinschaft zu schaffen, hat durch seine praktische Umsetzung dazu geführt, den Wunsch nach stärkerer Eigenverantwortlichkeit der Staaten zu verstärken. Dies ist nicht nur in der Flüchtlingskrise sichtbar, die nicht gemeinsam, sondern von den meisten Staaten nach dem Prinzip des „Klopf‘ an eines anderen Haus“ gelöst wird.

Sicherlich ist es normal, dass die Beteiligten in einer Gemeinschaft immer auch ihre eigenen Interessen im Blick haben und dass die Interessen der Gemeinschaft sich eben nicht immer mit den Einzelinteressen decken. Der Fehler der EU besteht jedoch darin, Einigungen zu erzwingen, wo es nur wenig Grundlage für einen Konsens gibt. Dies gilt nicht nur für die Flüchtlingspolitik, sondern auch für andere Verwaltungsakte, insbesondere für die aktuelle Wirtschaftspolitik und die Geldpolitik.

Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als man als Running Gag irgendeine unsinnige Regelung nennen konnte und diese dann mit dem Hinweis auf eine fiktive neue EU-Richtlinie begründen konnte. Auch hier war das Problem, dass die Gemeinschaft, nicht notwendig zu Unrecht, Dinge regeln musste, ohne dass sie aber den Bürgern in den einzelnen Ländern den Nutzen solcher Regelungen klarmachen konnte. Stattdessen produzierte sie bei vielen den Eindruck eines hochsubventionierten Verwaltungswasserkopfes, der seine Entscheidungen allein zu seiner eigenen Daseinsberechtigung vollführte. Die EU machte sich damit immer mehr zu einer Self-fulfilling Prophecy, die als Institution eine Gemeinschaft der Staaten mehr verkörperte als sie konsequent umzusetzen.

Der gemeinsame europäische Gedanke blieb so immer mehr zugunsten eines Konstrukts auf der Strecke. Zwar kenne ich keine Zahlen zur Akzeptanz der EU und eines gemeinsamen Europa, augenscheinlich jedoch hat die Hinwendung zum eigenen Nationalstaat in fast allen europäischen Ländern zugenommen und dort zu einem massiven Erstarken rechtsgerichteter nationaler Parteien geführt. Da diese Parteien inzwischen eine Bedeutung erlangt haben, die den bisher etablierten Parteien gefährlich wird, treiben die national ausgerichteten Parteien die Etablierten mittlerweile vor sich her, was auch diese zu einer nationaleren Politik treibt und die Einigungsfähigkeit auf europäischer Ebene wohl auch in absehbarer Zukunft eher weiter erschweren wird. Dabei ist der drohende Brexit eventuell sogar nur ein Anfang eines Zerfalls, das seinen Ursprung auch in einer Gemeinschaft hat, die sich zu wenig auf ihre Gemeinsamkeiten konzentriert hat.

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