Folgerungen aus dem Brexit

Der per Volksabstimmung beschlossende kommende Austritt des vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, bekannt als „Brexit“ wird weitreichende Folgen haben, von denen einige offensichtlich und naheliegend sind, während andere sich erst auf den zweiten Blick ergeben. Im Folgenden möchte ich deshalb gerne selbst einige Denkanstöße für mögliche Folgerungen aus dem Brexit geben:

Wirtschaftliche Folgen

Wenn die fünftgrößte Wirtschaftsnation aus einer der größten politischen und wirtchaftlichen Bünden austreten wird, hat dies ganz offensichtlich wirtschaftliche Folgen. Diese werden auch nicht dadurch gemindert, dass das Vereinigte Königreich wohl zwischenzeitlich, aufgrund des massiven Wertverlusts des britischen Pfunds, nominell auf den sechsten Rang abgefallen ist. Die Börsen nicht nur in allen Europäischen Ländern, sondern weltweit, zumindest sehen die kommende Trennung als schlechtes Vorzeichen für die wirtschaftliche Entwicklung. Diese droht nun sowohl dem Vereinigten Königreich als auch der restlichen verbleibenden EU.

Schlappe für die EU

Der Ausgang der Wahl war ebenso eine deutliche Schlappe für die EU, die es nicht geschafft hat, allein durch ihr Dasein genügend positive Gründe für den Verbleib zu liefern. Tatsächlich ist durchaus denkbar, dass die Ausgestaltung und die Entwicklung der Europäischen Union als immer abstrakteres institutionelles Konstrukt, sogar selbst den Keim zu seiner eigenen Dekonstruktion mitgesetzt hat, und dabei die eigenen übergeordneten Ziele der Völkerverständigung konterkariert hat. Es bleibt nur zu hoffen, dass spätestens jetzt in der europäischen Bürokratie tatsächlich ein Umdenken einsetzt, zu einer transparenteren und machbareren Europapolitik.

Volksabstimmungen

Grund für die Trennungsentscheidung war eine Volksabstimmung, die bei hoher Wahlbeteiligung mit knapper Mehrheit von 52% zu 48% für den Ausstieg entschieden wurde. Prinzipiell halte ich Volksabstimmungen für eine gute Sache, da sie ein sehr basisdemokratisches Mittel darstellen. Allerdings bergen sie auch immer die Gefahr, dass sie nicht ausreichend informiert und aus populistischen Gründen getroffen werden – dazu mehr in den folgenden Punkten. Grundsätzlich bergen solche Abstimmungen allerdings noch eine weitere Gefahr, nämlich die Gefahr der Spaltung. Diese ist im Vereinigten Königreich deutlich zu sehen, nicht nur bei den Stimmen auf der Straße, sondern auch mit der nun real drohenden politischen Folge eines Ausstiegs Schottlands aus dem Vereinigten Königreich.

Eine derart gewichtige Entscheidung wie den sogenannten Brexit aufgrund einer knappen Mehrheit zu fällen, sorgt vorhersagbar zu Unzufriedenheit, Unfrieden und Spaltung, da sie zuviele (hier 48 %) Verlierer hat und zudem allzuleicht als glücklich und ungerecht empfunden werden kann. Dies wäre übrigens auch dann nicht anders gewesen, wäre die Abstimmung, wie im Vorfeld erwartet, mit einem ähnlich knappen Ergebnis für den Verbleib ausgefallen. Eventuell sollte man daher für künftige Abstimmungen dieser Tragweite eine Mindestmehrheit fordern. Eine Mehrheit von 60% oder wenigstens 55% hätte wenigstens eine deutlichere Entscheidungsbasis gehabt. Unentschiedene Volkabstimmungen müssten demnach aus Gründen der Fairness zu einem festgelegten Zeitpunkt wiederholt werden.

Die Gefahr des Populismus

Wenn man die Artikel des Spiegel, der übrigens seit einiger Zeit sehr bemüht ist, auch zu komplexeren Themen ausführliche Hintergründe zu liefern, über Nigel Farage und Boris Johnson liest, könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass es diese beiden alleine waren, die den Brexit herbeibeschworen haben. Auch wenn diese Deutung sicherlich weit übertrieben ist, scheint sie dennoch nicht gänzlich falsch zu sein. Und es ist erschreckend, dass zwei Männer es in derart kurzer Zeit schaffen, ein Volk „umzudrehen“ und zu verführen. Nun ist Populismus nicht per se etwas schlechtes, denn ein Staat oder eine „intelektuelle Elite“, die konsequent an den Empfindungen und Bedürfnissen ihrer Bürger vorbeiregiert, missbraucht seine Macht, selbst wenn aus vermeintlich guter Absicht gehandelt wird. Eine Politik, die sich nicht auf einfache Aussagen und meinetwegen auch Parolen reduzieren lässt, ist in meinen Augen intransparent und damit letztlich undemokratisch.

Problematisch wird Populismus jedoch, wenn dieser durch falsche Gewichtungen, Halbwahrheiten und blanke Lügen zum Erfolg kommen will. Dies ist in meinen Augen bei der Brexit-Entscheidung geschehen. Insofern wäre sie in diesen Teilen ein Betrug am Wähler gewesen. Das beste Mittel gegen unlauteren Populismus ist es, sich rechtzeitig zu informieren und sich rechtzeitig eine eigene fundierte Meinung zu bilden – und nicht erst hinterher, wenn es zu spät ist.

Die Ausländer sind Schuld

Ein wesentlicher Argumentationspunkt der Leave-Bewegung war nach meiner Beobachtung die Frage der Aufnahme von Ausländern. Diese ist stets ein schwieriges Konglomerat, da die Ausländer keine homogene Gruppe sind und sie aus den unterschiedlichsten Gründen in ein Land kommen. Das Führen einer „Ausländer-Debatte“ führt jedoch in den allermeisten Fällen dazu, dass diese Einzelschicksale in einen Topf geworfen werden, in dem insbesondere die Probleme und negativen Begleiterscheinungen hervorgekocht werden. Das Ziehen der „Ausländerkarte“ ist daher in vielen Fällen ein solches Zeichen von verlogenem Populismus, da es Angst vor Überfremdung und Ausländerfeindlichkeit schürt und für die eigenen Zwecke instrumentalisiert.

Obwohl die Ausländer-Frage eigentlich innerhalb des riesigen Geflechts der Europäischen Gemeinschaft nur ein eher unbedeutendes Randthema darstellt, ist es in der Praxis jedoch augenscheinlich das brisanteste und damit eventuell sogar gewichtigste. Denn die Angst vor Fremden, die Angst vor Zuwanderung und damit auch die Angst um den eigenen sozialen Status ist der Treibstoff der national ausgerichteten Parteien und Gruppierungen derzeit europaweit starken Rückhalt gibt. Trotz aller ethischen Bedenken, die man bezüglich einer solchen, mal allgemein umschrieben „Reserviertheit gegen Ausländer“ haben mag, ist es daher nicht nur äußert riskant, sondern tatsächlich auch ein Stück weit ignorant, solche Ängste zu ignorieren. Selbst wenn sich am Ende tatsächlich rausstellen sollte, dass diese Ängste egoistisch, unnötig und irrational sind, haben sie derzeit ganz reale Auswirkungen. Auswirkungen an deren Ende sich gegebenfalls immer mehr Staaten abspalten und national gesinnten Regierungen zuwenden.

Alt gegen jung

Ein wesentlich herausgehobener Punkt in der Berichterstattung war die Aufschlüsselung, dass tendenziell eher ältere und ungebildete Bevölkerungsschichten für den Brexit gestimmt haben. Die Frage nach der geringeren Bildung könnte dabei jedoch tatsächlich auch im Wesentlichen einen sozialen statt einen intelektuellen Hintergrund haben. Für spannender halte ich jedoch die Frage, ob Nationalismus und Europafeindlichkeit auch in anderen Ländern eine Frage des Lebensalters sind. Damit könnte man sich eventuell auch mit der Frage auseinandersetzen, ob diese beiden Phänomene im Laufe der kommenden Jahre und Jahrzehnte buchstäblich von alleine aussterben werden oder sich umgekehrt, durch eine wachsende Verformung der Alterspyramide sogar noch verfestigen werden.

Boris Johnson for President

Erstaunt bin ich über die Tatsache, dass es weitgehend ausgemacht erscheint, dass Boris Johnson dem scheidenden Premierminister David Cameron im Amt nachfolgen wird. Einen schlechteren Premierminister kann es in meinen Augen nicht geben. Nicht weil Johnson nach meinem uninformierten Gefühl ein egoistischer und unlauterer Populist ist, sondern weil er das Land allein aufgrund seiner Rolle in der Brexit-Kampagne weiter spaltet. 48% der Bevölkerung werden gute Gründe haben, ihren künftigen Premier aus tiefsten Herzen abzulehnen. Nach dem Abgang von Cameron, braucht es einen neutraleren und versöhnlicheren Nachfolger, an dessen Person eine Heilung der Spaltung des Landes tatsächlich erfolgen kann.

 

 

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