SPD: Opposition oder Opportunismus?
Die SPD hat in den wenigen Stunden nach der Bundestagswahl eine Wandlung durchgemacht, die mich doch einigermaßen beeindruckt hat. Und damit meine ich nicht, meine Ungläubigkeit, wie schnell sich Martin Schulz durch seinen Auftritt in der Elefantenrunde vom volksnahen Kanzlerkandidaten zu einem beleidigten Wahlverlierer stilisiert hat. Das hat schließlich bereits vor ihm schon ein Parteivorsitzender geschafft.
Viel mehr überrascht hat mich die Wendung, die ich am Wahlabend zuerst von Thomas Oppermann und dann geschlossen von anderen Parteivorsitzenden gehört habe, nämlich, dass die SPD die Stimme des Wählers verstanden habe und darum in die Opposition gehen werde. Ich habe keinen Zeitstempel zu dieser Aussage, aber gefühlt war es da 19:00 Uhr, also eine Stunde nach Bekanntgabe der ersten Wahlprognose. Da sich diese Wahlprognose wohl auch weitgehend mit den Vorwahlumfragen deckt, wird das Ergebnis die Partei vielleicht schockiert, aber wohl eher nicht überrascht haben. Und so ist auch nicht anzunehmen, dass sich der Parteivorstand in der Stunde nach Bekanntgabe der Prognose spontan auf eine Oppositionsaussage festgelegt hat. Die Entscheidung wird vielmehr bereits Tage oder eher Wochen und Monate vor der Wahl getroffen worden sein.
Das Problem dabei ist, dass diese Entscheidung im Vorfeld zumindest an mir als einigermaßen politikinteressiertem Menschen gänzlich vorbeigegangen ist. Nicht den Hauch einer Ahnung von dieser Entscheidung hatte ich, weshalb auch meine Wahlprognose zu großen Teilen eine Fehleinschätzung darstellt. Die offizielle Sprachregelung war in meinen Augen: die SPD kämpft um die Kanzlerschaft. Im Nachhinein wandelt sich diese Aussage für mich jedoch von einer bemitleidenswerten Marotte und einer beschönigenden Notlüge, von der sich jeder schon selbst ausrechnen konnte, dass sie rechnerisch nicht stimmig war, zu einer tatsächlichen Lüge durch Verschweigen. Wenn die SPD im Vorfeld den Gang in die Opposition fest eingeplant hatte (von nicht zu erwartenden Wahlwundern einmal abgesehen), dann hätte sie diese Absicht auch rechtzeitig und klar formulieren müssen. Ansonsten betrügt die Partei nicht zuletzt all diejenigen, die in festem Vertrauen den Juniorpartner einer sicher geglaubten Großen Koalition zu stärken, die SPD gewählt haben. Eine Stimme für die FDP oder für die Grünen wäre in dem Fall im Nachhinein wohl angebrachter gewesen.
Wobei ich mich lediglich frage, ob ich bei dieser Einschätzung etwas entscheidendes verpasst oder übersehen habe, da ich diesen, wie ich finde recht wichtigen Aspekt, bislang in keiner politischen Nachschau der Bundestagswahl gehört habe. Die Tatsache, dass die SPD und Ihre Führung hier sehr wahrscheinlich aus Parteiinteresse die Interessen des Landes in den Hintergrund treten lässt, auch wenn sie genau das Gegenteil behauptet, ist dagegen nicht zuletzt von den Parteien der nun quasi zwangverpflichteten Jamaikakoalition thematisiert worden. Das Vertrauen in die SPD und das Vertrauen in einen ehrlichen und transparenten Neuanfang ist dabei, zumindest bei mir, nicht wirklich größer geworden.