Urheberrecht: Wer streitet mit wem?

Einleitung

Wenn ich die Urheberrechtsdebatte oberflächlich verfolge, scheint es ganz einfach zu sein: Es gibt drei Streitparteien, nämlich die Urheber, die Verwerter und die Nutzer. Die Nutzer sind böse auf die Verwerter, weil die Inhalte künstlich verknappen und die Nutzer zudem als Raubkopierer brandmarken. Die Urheber waren dann dumm genug, sich auf die Seite der Verwerter zu schlagen und haben sich schützend vor sie gestellt, weshalb sie jetzt eben auch das meiste vom Ärger abbekommen.

Im Prinzip scheinen die Rollen also klar verteilt wie in einer billigen Vorabend-Soap und bei einer Partie Starcraft und man könnte leicht eine dieser Tabellen machen, wo mit einem lustigen Bild gezeigt wird, wie sich die Parteien gegenseitig sehen:

Urheber Verwerter Nutzer
Urheber Superstar Verkäufer Fans
Verwerter Marionette Puppenspieler Melkkuh
Nutzer Bettelpoet Kapitalist Normaler Mensch

(hier bitte gedanklich die passenden Bilder einfügen)

Differenzierung

Eigentlich sollte bei diesem Setting klar sein, dass es so einfach und stereotyp nicht sein kann. Doch, wenn man einen Großteil der Diskussionen verfolgt, scheint genau das nicht der Fall zu sein oder die Tatsache wird einfach nicht reflektiert und ausgeblendet. Letzlich reduziert sich das Bild, das die meisten in der Debatte vor Augen haben, auf wenige Stereotypen. Nutzer sind entweder „Raubkopierer“ oder „ehrliche Kunden“. Wenn man den Begriff des Urhebers verwendet, hat man immer entweder einen kleinen idealistischen Künstler vor Augen oder einen Superstar und die Verwerter sind die großen Studios, die sogenannte Contentmafia. Zwischen diesen Stereotypen gibt es in der Debatte oft keinen Graubereich.

Diesen gibt es jedoch in der Realität. Es gibt nicht den Urheber, sondern Menschen, die aus altruistischen Gründen ihre Werke unter das Volk bringen wollen und knallharte Karrieristen, die Erfolg und Geld als Antrieb haben und alle dazwischen. Es gibt kleine Verlage, die zum Selbstkostenpreis im eigenen Wohnzimmer Bücher und CDs produzieren und Multimilliarden-Dollar-Konzerne und alle dazwischen. Es gibt Nutzer, die festplattenweise Filme und Musik kostenlos kopieren und Nutzer, die jedes Werk kaufen und alle dazwischen. Dazu kommt, dass sich alle diese Gruppenmitglieder nicht nur in ihrem Verhalten sondern auch in der Motivation unterscheiden. Dazu kommt, dass es eine strenge Unterteilung der Gruppen gar nicht gibt. Wer im Internet aktiv ist, ist zumeist Nutzer, Verwerter und Urheber zugleich.

Doch diese Differenzierung ist ungemein wichtig. Denn die strenge Einteilung in diese Gruppen führt in der Debatte immer wieder zu einer Sippenhaft und einem kollektiven Gruppenaufschrei. Wenn als Beispiel einzelne Nutzer behaupten, es wäre doch eine tolle Werbung für einen Künstler, wenn seine Werke im Internet kostenlos verbreitet werden, denn sie könnten doch dann mit Touren wahnsinniges Geld verdienen, dann haben Sie dabei wohl eher einen bekannten Künstler vor Augen, der problemlos durch die Welt reisen kann und ganze Hallen füllt.

Gruppenzwang

Eine solche Aussage ruft dann jedoch automatisch einen Aufschrei aller kleinen Künstler hervor, die nicht in der Lage sind, mit einer solchen Tour Geld zu verdienen, weil allein die Kosten für Saalmieten und Fahrtkosten die Einnahmen bei Weitem überschreiten. Und plötzlich wird zusammen geschweißt, was eigentlich gar nicht zusammen gehört. Die vielen kleinen Künstler werden plötzlich auf die Seite von gutverdienenden Superstars gedrängt und vertreten deren Sache, obwohl sie im Kern ganz andere Ziele haben. So wie sich viele Urheber auf die Seite der Verwerter gedrängt fühlen, wenn plötzlich im Raum steht, dass ihre Kunst plötzlich kostenlos und frei verfügbar sein soll. Damit stehen sie dann plötzlich auf der Seite derjenigen, die die Nutzer mit dem Slogan „Raubkopierer sind Verbrecher bedenken“ bedenken und Überwachungsmaßnahmen fordern, die die Urheber zum Großteil selber gar nicht vertreten. Und um zur Differenzierung zurückzukommen: die auch ein Großteil der Verwerter nicht gutheißt, weil eben ein Graswurzelverlag keine Content-Mafia ist.

Weitere Parteien

In diesem Dreier-Konflikt geht außerdem unter, dass es dadurch auch noch weitere Interessengruppen gibt, die zwar in der Zahl klein sind, aber einen großen Beitrag daran haben, dass es überhaupt einen Streit gibt. Diese Parteien sind im Wesentlichen diejenigen, die das Urheberrecht für ihre Zwecke mißbrauchen. Namentlich sind das einige wenige Abmahnanwälte, die Hunderttausende Nutzer mit teuren Abmahnungen überziehen und damit ein gutes Geschäft machen und es sind Politiker, die versuchen, das Internet und die Gesellschaft zu überwachen und zu reglementieren und die nun nach dem vorläufigen Scheitern über den Weg Kinderpornographie einen neuen hoffnungsvollen Weg für sich entdeckt haben, doch noch zum Ziel zu kommen. Diese Parteien sind zu einem guten Teil die geistigen Brandstifter in der Debatte, die sich entzündet hat.

Sachlich bleiben

Aus diesem Grund scheint es mir nicht sehr sinnvoll, die Debatte in den Kategorien von Gruppen zu führen. Eher müssten die Kernfragen herausgearbeitet werden, um die sich die Debatte eigentlich dreht und man wird dann meiner Meinung nach feststellen, dass sich in den einzelnen Sachfragen Menschen aus den unterschiedlichen Gruppen zusammen finden. Sicher wird man dabei auch eine Tendenz der jetzigen Gruppeneinteilung vorfinden, doch es bricht die derzeitige starre Diskussionsfront auf, bei der man sich für eine Seite „entscheiden muss“ und damit automatisch alle Ziele dieser Gruppe mitkauft, wie bei einer Langspielplatte, bei der man eigentlich nur das erste Lied auf der B-Seite gut findet.

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