Rekritik: Kampf der Kulturen

Manchmal finde ich im Internet Artikel, bei denen ich versucht bin, einen Kommentar zu schreiben, aber bald merke, dass die Antwort möglicherweise zu lang werden könnte und vielleicht eher einen eigenen Artikel rechtfertigt. Dieses will ich bei Bedarf unter der Überschrift „Rekritik“ tun.

„Hört bitte auf zu glauben, wir hätten eine Kultur und “die anderen” eine andere Kultur. Jeder der diese These vertritt hat sich selbst aus der Debatte ausgeschlossen“ beginnt es im Blog „Elementarteile“. Und dieser Beginn zeigt schon, warum ich diesem Beitrag zweigespalten gegenüber stehe.

Ich beginne mit dem zweiten Satz. Wenn jemand, der eine andere Meinung vertritt, für unberechtigt erklärt wird, an der Diskussion teilzunehmen, dann ist es keine Diskussion, sondern eine Demütigung und eine Proklamation. Und darum habe ich mich auch freiwillig aus der Debatte ausgeschlossen und keinen Kommentar geschrieben. Wäre wohl auch nicht erwünscht gewesen. Was schade ist, denn schließlich bin ich anscheinenend zumindest indirekt ein Abonnement.

Der erste Satz in meinen Augen auch irgendwie falsch, aber schließlich eben ja auch das Diskussionsthema. Nur finde ich ihn im Text nirgendwo belegt. Und das, obwohl zahlreiche Beispiele von Musik, Essen, Religion oder Internet angeführt werden, die in meinen Augen weder erklären noch einem Faden folgen. Sie sagen erst mal nur eines aus, nämlich dass innerhalb einer Kultur nicht alle das gleiche Leibgericht haben oder die dieselbe Lieblingsband.

Das hat auch keiner behauptet, aber trotzdem tut der Autor so, als müsse das noch mal klargestellt werden, um dann zum eigentlichen Kern seines Artikels zu kommen: „Es gibt einen Rahmen aus Traditionen, Gewohnheiten, familiären Strukturen, geographischen Gegebenheiten etc., aber eine Kultur haben wir alle nicht.“

Und es ist schade, dass dieser Punkt ein wenig untergeht, weil er die Frage aufwirft, was Kultur eigentlich ist. Denn jeder definiert sich den Kulturbegriff ein wenig anders und hinterher reden alle über das gleiche und meinen etwas völlig anderes. Eine nützliche Situation für alle, die den Kulturbegriff für ihre Zwecke mißbrauchen wollen.

Und vielleicht scheitert mein Verständnis einfach nur daran, dass ich den falschen Kulturbegriff habe, denn für mich, ist die Kultur die Summe aus Traditionen, Gewohnheiten, familiären Strukturen, geographischen Gegebenheiten und nur nur zwei von vielen zu ergänzen von Verhaltensmustern und auch Denkmustern.“ Den künstlerischen Begriff der Kultur, wie er etwa in Museen oder in der „Kulturförderung“ vorkommt, spalte ich dabei für mich meist ab, weil dieser für mich im Wesentlichen den Kunstbegriff bezeichnet, der zwar ein Teil der hier diskutierten „Kultur“ ist und dummerweise den gleichen Namen hat.

Und nach diesem Kulturbegriff glaube ich daran, dass es bestimmte Kulturen gibt, in der der Durchschnitt ihrer Anhänger in der gleichen Situation unterschiedlich handeln würden, dasselbe Ereignis anders bewerten würden. Hinzu kommen die ganzen Kleinigkeiten, die man oft als Klischee bezeichnet. Sie sind ein Teil der Kultur auch und gerade weil sie nicht auf alle zutreffen.

Und diese gemeinsame Kultur ist ein verbindendes Element zwischen ihren Mitgliedern und manchmal ein trennendes zwischen Anhängern unterschiedlicher Kulturen. Und innerhalb einer Kultur gibt es immer welche, die sich gegen ihre Kultur auflehnen. Und das ist der zweite wichtige Punkt, den der Autor indirekt aufwirft, nämlich die Frage, ob ein sich derartig Auflehnender überhaupt noch Teil der Kultur ist.

Und die Antwort ist meiner Meinung nach: nein. Denn Kultur ist nicht angeboren, sondern erlernt. Und eine Kultur ist kein Recht einer Gruppe oder Nation, sondern ein gewisser Gleichklang, der durch das Zusammenleben entstanden ist. Damit ist sie kein Qualitätsmerkmal, dass nur wenigen zusteht und von anderen nicht erreicht werden kann. Das Problem ist nur, dass viele es dennoch so interpretieren. Das wird dann zu solchen Sätzen wie: „Der Deutsche ist eben so.“ oder „Der Pole kann halt nicht anders.“ Das mag zum Teil zutreffen, denn es kann im Einzelfall schwer sein, sich gegen jahrelang gelerntes durchzusetzen.

Eine Frage die dabei aber nicht gestellt wird, ist ob der andere, es denn überhaupt anders machen will. Denn jeder hat seine Kultur und hat sie zum großen Teil als richtig anerkannt. Ein Problem tritt aber dann auf, wenn dieses nachvollziehbare Verteidigen der eigenen Kultur zu einer Abwertung oder gar zu einem Kampf gegen eine andere Kultur genutzt wird.

Und ein letztes sei dem Autor am Ende auch zugestanden. Nämlich dass die Kulturen, durch die größeren Kommunikationsmöglichkeiten immer stärker an Abgrenzung verlieren und sich ähnlicher werden. Außerdem wird der Zusammenhalt des Einzelnen mit seiner Kultur im Schnitt immer schwächer. Wobei natürlich die Aussagen in diesem Absatz nur eine unbelegte Spekulation sind.

Fazit:

Auch, wenn letztlich ein guter Denkanstoß in dem Artikel steckt und ich glaube, dass in einzelnen Punkten große Überstimmung mit dem Autor besteht, fürchte ich, dass wir am Ende doch sehr unterschiedlicher Meinung sind. Der Ton mag noch eine Formsache sein, aber ich lehne den Kulturbegriff in der Diskussion nicht grundsätzlich ab, weil ich glaube, dass andernfalls bestimmte Probleme nicht diskutiert werden können und damit ungelöst bleiben. Allerdings denke auch ich, dass der Kulturbegriff ein sehr gefährlicher ist und entsprechend vorsichtig verwendet werden muss.

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2 Antworten

  1. ben gunn sagt:

    wenn du dich an meinem ton störst, dann lies doch mal die etwas nüchterne erklärung von mir zu dem thema kultur: http://www.elementarteile.de/?p=3078
    mfg

  2. Aerar sagt:

    Mach ich gerne. Allerdings kann ich das nicht jetzt gleich tun…

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