Wahltaktik

Nicht nur die Politiker und die politischen Parteien gehen in Ihrer Arbeit Kompromisse ein, sondern auch vom Wähler wird dies verlangt. Das liegt sicher zum großen Teil in der Natur der Sache, denn sicherlich wird es kaum einen Wähler geben, der sich mit allen Zielen und Aussagen einer Partei oder eines Kandidaten hundertprozentig repräsentiert fühlt. Diese Erfahrung macht er jedoch ebenso in beinahe jeder beliebigen Alltagssituation.

In der Politik werden allerdings viele Dinge gebündelt, die er in seiner Wahlentscheidung berücksichtigen muss. So sind etwa Parteien und Ihre Programme und Kandidaten nur als Einheit zu wählen. Sorgt der Wähler zum Beispiel dafür, dass eine bestimmte Partei an Einfluss verliert, so sorgt er gleichzeitig dafür, dass auch einzelne von ihm geschätzte Politiker dieser Partei Einfluss verlieren und vielleicht durch andere weniger fähige ersetzt werden. Dies führt im Einzelfall dazu, dass Wähler auch mit Ihrer Zweitstimme Personen und nicht Parteien wählen.

Das Hauptproblem, das sehr viele Wähler betrifft, sind allerdings wahltaktische Überlegungen, denn schließlich möchte man mit seiner Stimme etwas bewirken. Glücklich können sich da überzeugte CDU- und SPD-Wähler schätzen, da diese Parteien immer noch als die Gegenpole der Politik gelten und keine Koalition denkbar ist, in der nicht eine der beiden Parteien beteiligt ist. Eine erneute Koalition beider Parteien erscheint zudem als wahrscheinlich.

Den drei anderen Parteien, die den Einzug in den Bundestag vermutlich schaffen werden, unsterstellt man gemeinhin eine gewisse Nähe zur CDU (der FDP) oder zur SPD (den Grünen und der Linken), wobei „Nähe zu einer Partei“ durchaus auch lediglich „absolute Unvereinbarkeit mit den Zielen der jeweils anderen großen Partei“ bedeuten kann. Für die Wähler dieser Parteien ist die Chance größer, dass ihre Partei am Ende nicht an die Regierungsmacht kommt. Insbesondere bei einer Fortführung der großen Koalition werden sich einige von ihnen fragen, ob sie Ihre Stimme im Nachhinein nicht lieber einer der großen beiden Parteien gegeben hätten, die ihre Ziele zwar nicht sonderlich gut aber immerhin deutlich besser vertritt als die andere Partei. Das Gewicht der regierenden Parteien würde sich vermutlich durch Berücksichtigung solcher Überlegungen deutlich verschieben.

Noch viel größer sind die Bedenken bei den Wählern der übrigen Parteien. Sie wissen, dass ihre Partei in keinem Fall in den Bundestag einziehen wird und ihre Stimme somit „verloren“ ist. Realpolitisch müssen sie überlegen, ihre Stimme statt dessen lieber einer der großen Parteien zu geben, die ihre Ziele zumindest besser vertritt. Sollten zum Beispiel die Piraten-Wähler nicht, je nach politischer Neigung, FDP oder Grüne wählen, um ihre Ziele durchzusetzen? Oder gar die SPD, die in ihre Ziele in einer großen Koalition möglicherweise besser vertritt als die CDU? Für viele Sympathisanten kleinerer Parteien ist eine derartige Frage tatsächlich ein Dilemma bei ihrer Wahlentscheidung.

Es spricht allerdings einiges dafür, tatsächlich die Partei zu wählen, die nach gründlicher Überlegung mit den eigenen Ziele am besten übereinstimmt. Zum einen hat man so das gute Gefühl, tatsächlich der Entscheidung Ausdruck verliehen zu haben, die man für die beste hält. Zudem zeigt der Trend, dass die derzeitigen großen Parteien an Stimmen verlieren und kleinere Parteien Stück für Stück mehr Einfluss gewinnen. Das betrifft zunächst die FDP, die Grünen und die Linke, die immer mehr an politischem Einfluss gewinnen. Aber auch die Piraten, die mittelfristig in den Startlöchern stehen, um (gewählt) in Parlamente einzuziehen und rechte Parteien, die dies vereinzelt bereits geschafft haben. Und letztlich gewinnen auch kleine Parteien durch eine „verlorene“ Stimme an Einfluss, der sich in Prozentwerten aber auch in finanziellen Zuschüssen wiederspiegelt.

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