Abmahnwache

Nun also doch auch von mir ein kurzer Gedanke zu Abmahn-Wahnsinn. Der letzte größere Fall war die Negative PR, die sich Jack Wolfskin durch seine Abmahnungen eingehandelt hat. Davor waren es DFB-Präsident Theo Zwanziger, die Deutsche Bahn, Jako und andere, die unangenehm aufgefallen waren.

Abmahnungen sind eine legitime Methode mit der ein Geschädigter (zum Beispiel ein Markenrechtsinhaber) einen vermeindlichen Schädiger auf sein Fehlverhalten aufmerksam macht und zugleich auf Beseitigung des Missstands dringt. Nicht selten gleich auf die Vermeidung von Wiederholungsfällen in Form von Unterlassungserklärungen. Da dieser Hinweis Geld kostet, möchte der Abmahnende, der das Fehlverhalten ja nicht begangen hat, zudem die Kosten vom Abgemahnten zurück bekommen.

In vielen Fällen, in denen Privatpersonen oder kleine und Kleinstunternehmen betroffen sind, sind es genau diese Kosten, die eine Abmahnung so schmerzhaft werden lassen. Oftmals sind sich die Betroffenen ihres Fehlverhaltens nicht bewusst und bereit, dieses anzuerkennen, sofort abzustellen und in Zukunft zu unterlassen. Vermutlich wären sie auch zum Ersatz von Schaden bereit, sofern er ihnen nachvollziehbar dargelegt würde. Doch mit den Kosten der Abmahnung liegt der Schaden meist bereits weit über dem nachvollziehbaren Wert. Die Abmahnung wird so nicht als Mahnung, sondern als Maßregelung eingesetzt. Der eigentliche Sinn, das Fehlverhalten anzumahnen und abzustellen wird dadurch unnötig durch eine vorweggenommen Strafe ergänzt. Denn eine solche ist es, wenn der Abgemahnte sich nicht in der Lage sieht, auf Augenhöhe gegen die Abmahnung anzugehen. Hinzu kommt die Möglichkeit des Missbrauchs, den die Abmahnung eröffnet, wenn ein prinzipiell rechtmäßiges Verhalten des Abgemahnten durch die drohenden Kosten unterdrückt werden soll oder wenn findige „Geschäftsleute“ juristisch rechtmäßige Abmahngründe als Freibrief zum Geld verdienen durch Massenabmahnungen nehmen.

Es würde daher meiner Meinung nach reichen, wenn vor der Abmahnung als erste Ermahnung ein kostenloser Hinweis erfolgen müsste. Sollte dieser dazu führen, dass das Verhalten abgestellt ist, wäre dem Anliegen des seriösen Antragsstellers Genüge getan. Die Idee ist nicht neu, ist nicht kompliziert – sie müßte nur umgesetzt werden. Natürlich müsste bei notorisch wiederkehrenden Fehlverhalten einer Person die direkte Abmahnung möglich sein. Denn ansonsten stellt sich das umgekehrte Verhalten ein: „Ich mach dann erst mal, sollen die mich doch erstmal finden und ermahnen“. Im jetzigen Zustanz der juristischen Lage ist die Abmahnung jedoch  eine Zeitbombe, die bei jeder (kritischen) öffentlichen Äußerung losgehen kann und bei vielen dazu führt, sich sicherheitshalber gar nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt zu kritischen Themen zu äußern. Abmahnungen können wie eine Zensur wirken.

In dem letzten Blogartikel, (Link nicht mehr gefunden) den ich dazu gelesen habe, ist die Unzufriedenheit über die gängige Abmahnpraxis wohl genauso vorhanden wie bei mir. Allerdings kann ich nicht allen Passagen und Vorschlägen ganz zustimmen. Einige deuten an, das es immer noch grundlegende Missverständnisse auf beiden Seiten gibt, was das Mittel der Abmahnung angeht:

Da das ganze Spiel für große Unternehmen ohne Risiko ist – selbst die Verfahrenkosten, falls es denn überhaupt zu einem Prozess kommt,  zahen sie locker aus der Portokasse.

Die letzten Fälle haben gerade gezeigt, dass das Risiko für große Konzerne gerade durch den wachsenden Einfluss der Blogosphäre und den drohenden Imageverlust ungleich größer geworden ist. Das gilt insbesondere, wenn die Firma mit Endkunden in Kontakt steht. Auch, wenn in den genannten Fällen stets der konkrete Anspruch der Abmahnung in Frage gestellt wurde, war ebenso das Vorgehen und der direkte Griff zur Abmahnung Kritikpunkt. Dank der größeren Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit funktioniert das „Spiel aus der Portokasse“ eigentlich nur noch für eher unseriöre Unternehmen. Dennoch müssen auch Unternehmen mit berechtigten Interessen eine faire Chance haben, diese durchzusetzen. Ob die Interessen „tatsächlich“ oder nur juristisch berechtigt sind, wäre eher eine Frage ans Urheberrecht und an das Markenrecht, die gegebenenfalls überarbeitet werden müssten, wenn eine Firma die Rechte an allen denkbaren Fussabdrücken für sich beanspruchen sollte.

Wenn der Jahres-Umsatz mit dem beklagten Artikel(n) in jedem Jahr des Rechtsstreites unter dem Streitwert gelegen hat, trägt der Kläger unabhängig vom Ausgang des Prozesses alle Verfahrenskosten.

Nein, es geht ja nicht um „Amnestie“ für Rechtsverletzungen und nicht immer sind die Antragsteller böse anonyme Großunternehmen mit dicker Portokasse, sondern unter Umständen selber Freiberufler, die um Ihre Existenz kämpfen. Es geht nur darum, die erste „Abmahnung“ kostenmäßig neutral zu halten. Wenn der Ermahnte sich im Recht sieht, und die Ermahnung ignoriert bzw. ablehnt, sollte das weitere Prozedere nicht betroffen sein. Oder zumindest würde dies einen Umbau des ganzen bürgerlichen Prozeßrechts werde, was eine ganz andere Baustelle wäre.

Auch die Höhe des Abmahnungsbetrages darf sich nicht ausschließlich an den Kosten des Anwälte orientieren, sondern muß die wirtschaftliche Lage des Abgemahnten mit einschließen. Selbst das Strafrecht berücksichtigt das Einkommen bei der Festsetzung von Geldstrafen.

Das verkompliziert die Sache, ist aber einen Gedanken wert. Nur wer zahlt das Ganze? Was ist gerecht? Und auch hier würde ich auf Seitenthema plädieren. Wenn eine vorige kostenfrei Ermahnung erfolgen müsste, wäre der Punkt erledigt.

Nur eine mögliche Verwechselungsgefahr rechtfertigt noch keine Abmahnung: Der Kläger muss eine Täuschungsabsicht des Beklagten nachweisen.

Das kann es wohl kaum sein. Wer soll das denn nachweisen oder widerlegen? Zudem wird eventuell angerichteter Schaden ja nicht geringer, dass er aus Versehen/Unwissen geschehen ist.

Die bisherige Regelung legt es letztlich ins Ermessen eines Richters, ob dieser eine Verwechselungsgefahr sieht. Damit hat aber niemand Rechtssicherheit. Hier müssen klare, nachvollziehbare Regeln her.

Mehr Rechtssicherheit und verständliche und nachprüfbare Regeln empfinde ich auch als wichtig

Ernsthaftigkeit der Verfolgung: Ein Kläger muss durch sein Vorgehen klar gemacht haben, dass er seine Rechte wirklich verteidigen will. […] Während sich nämlich Jack Wolfskin an eine Bastel-Community vergriffen hat, läßt das Unternehmen die US Sicherheitsfirma Blackwater unbehelligt Kleidung mit einem viel ähnlicheren Logo (auch in Deutschland) verkaufen:

Wenn das so ist, kann ich auch hier zustimmen. Ich denke zwar nicht, dass man jetzt minutiös „ernsthaftes Verfolgen“ vorschreiben kann und sollte, aber in dem genannten Fall kommen Zweifel an der Glaubwürdigkeit.

5.) Klare Strafen für einen Mißbrauch von Abmahnungen: Für die Unternehmen, in deren Auftrag abgemahnt wird ebenso wie für die abmahnenden Anwälte.

Dem stimme ich zu. Der Gesetzgeber verkennt hier den finanziellen und gesellschaftlichen Schaden, den missbräuchliches Abmahnen verursacht.

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2 Antworten

  1. Benno sagt:

    Hallo Abmahnwache,

    danke für die Diskussion und die Anregungen!

    Meine Antwort unter:
    http://direkteaktion.over-blog.de/article-abmahnungs-update-38565855.html

  2. Aerar sagt:

    Danke dir für die Info – ich habe eben einen Kommentar zu Deiner Antwort geschrieben.

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