Nationales Europa
Es ist erschreckend, wie sehr der ursprüngliche Gedanke eines geeinten Europa an die Wand gefahren ist. Von der Gemeinsamkeit und Freundschaft der europäischen Staaten ist immer weniger übrig geblieben. Ja, schlimmer noch: das Projekt Europäische Gemeinschaft hat es nunmehr geschafft, das genaue Gegenteil zu erreichen und allerorts Extreme und Nationalisten zu tonangebenden Akteuren aufzubauen.
Das Problem sind zum Einen ein borniertes Sendungsbewusstsein und eine an Arroganz grenzende Selbstherrlichkeit einer überbürokratisierten europäischen Regierung und Verwaltung und ihrer Protagonisten. Selbst die Entscheidung zwischen Jean-Claude Juncker und Martin Schulz erscheint da noch schwerer als die zwischen Heide Simonis und Peter Harry Carstensen. Das andere Problem sind strukturelle Probleme, die in der Phase des Aufbaus gemacht wurden und zuviele faule Kompromisse beinhalten. Europa ist dabei letztlich immer eher eine Vision im negativen Wortsinn geblieben als eine realistische Zusammenführung von unterschieldichen Staateninteressen.
Europa steht damit sehr wahrscheinlich dort, wo die meisten politischen Großprojekte stehen, nämlich still am Rand, aber gut finanziert. Beerdigen lässt sich das Projekt nicht mehr ohne das fatale Eingeständnis, dass der europäische Gedanke, zumindest so, gescheitert ist. Eine Sanierung erscheint aufgrund der unterscheidlichen Bauherren, noch unwahrscheinlicher als eine zeitnahe Öffnung des neuen Berliner Flughafens. Und so gilt auch für Europa, so wie für die meisten politischen Großprojekte: intransparent, teuer und kaum einsatzfähig. Wie immer gilt leider: das Gegenteil von „gut gemeint“ ist „gut gemacht“.
Vielleicht ist dieser traurige Wahlausgang ja tatsächlich nur ein „Denkzettel“-Votum gewesen. Und vielleicht bringt er die Europa-Politiker tatsächlich dazu, ganz gezielt die Interessen der Gemeinschaft und seiner Bürger zu verfolgen. Aber auch das bleibt wohl nur eine Vision.