Donald Trump ist nicht verrückt

Wie ich es erwartet habe, ist der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika eindeutig gewählt worden. Dass es Donald Trump geworden ist, hat mich nicht wirklich überrascht. Zu dicht war das Kopf an Kopf-Rennen im Wahlkampf, trotz aller rhetorischen und menschlichen Ausfälle des Kandidaten. Zu unsicher waren die Prognosen um unausgeschöpfte Wählerreservoirs, trotz aller Wahlkampfanstrengungen des Clinton-Lagers. Zu sicher waren sich die Anhänger der „alten Demokratie“, nicht zuletzt in Europa und Deutschland, dass es getreu nach dem rheinischen Motto schon irgendwie gut gehen würde. Und so konnte man, ähnlich wie bei der Entscheidung über den Brexit, in Europa abends weitgehend beruhigt ins Bett gehen, um dann am Morgen in einem Scherbenhaufen aufzuwachen: Amerika hat gewählt, aber den Falschen.

In der Berichterstattung aus dem Wahlkampf ist mir der Ausspruch eines Interviewten im Kopf geblieben, der sagte, wenn Amerika die Wahl hat zwischen einem korrupten Präsidenten und einem wahnsinnigen Präsidenten, wird Amerika sich immer noch für den korrupten Präsidenten entscheiden. Aber so war es nicht. Zum Einen, weil die Korruption nur ein Ausdruck dessen ist, was die entscheidenden Wähler ins Trump-Lager getrieben hat. Es war im wesentlichen die Angst um die eigene wirtschaftliche Existenz und die dumpfe Wut und Verzweiflung über die eigene Unbedeutenheit, die den Schritt von passiver Verzweiflung zu dem unbedingten Wunsch, etwas zu verändern, bei vielen hervorgerufen hat. Egal um welchen Preis und egal wie die gewählte Alternative aussieht.

Doch Donald Trump ist nicht verrückt, wie man es einfach glauben könnte. Wer glaubt, seine rassistischen, unsozialen und Frauen verachteten Aussagen und sein einfaches Fakten verleugnendes Auftreten sind bloß Ausdruck einer weltfremden, populistischen geistigen Entrückung, macht es sich zu einfach. All die verrückten Fragmente aus Donald Trumps Wahlkampf sind keine irren Wahnkonstrukte, sondern Teil einer Ideologie, die ganz offensichtlich viel mehr Anhänger besitzt, als die meisten sich als aufgeklärt Empfindenden wahr haben wollen. Eine Ideologie, die einfache Lösungen möchte, eine Ideologie, die einfache Feindbilder braucht und eine Ideologie, die nicht bedingungslos altruistisch und weltoffen daher kommt. Eine Ideologie, in der sich all diese Fragmente zu einem sinnvollen Bild formen.

Wer Donald Trump für verrückt hält, muss erst recht die 50% der Amerikaner für verrückt halten, die Donald Trump gewählt haben. Auch, wenn diese Interpretation aus der eigenen Weltanschauung nahe liegen mag, ist sie zugleich auch vermessen und gefährlich. Denn die 50% haben Trump gewählt, obwohl und gerade weil er nach nüchterner Faktenlage als unwählbarer Präsident erschien. Sie haben Trump gewählt, weil sie ihn wählen wollten oder zumindest aber, weil sie nicht Hillary Clinton wählen wollten.

Die Wahl galt weithin als Wahl zwischen Pest und Cholera. Und tatsächlich muss man eingestehen, dass Hillary Clinton für die meisten kaum eine attraktive Alternative gewesen ist. Ihr übertriebenes Selbstverständnis als Mitglied der bisher herrschenden Klasse, ihr Umgang mit den herrschenden Verhältnissen, ihre Erfahrenheit mit dem politischen System und das Versprechen, dass es unter Ihr am ehesten bliebe, wie es ist, waren Gründe, genau sie nicht zu wählen. So blieb für nicht wenige als entscheidender Punkt für Ihre Wahl, dass Amerika nach einem schwarzen Präsidenten endlich den ersten weiblichen Präsidenten haben musste. Aber eine Frau zu sein, reicht nicht für die Wahl zum Präsidenten. Und Hillary Clinton konnte nicht anähernd die Hoffnung, Vision und Sympathie verbreiten, die Obama ins Weiße Haus gebracht haben. Auch um den Preis, dass im aktuellen System eine Frau zu sein eher wieder ein Nachteil ist, wenn es darum geht, das höchste Amt des Staates zu bekleiden.

Donald Trumps Wahl passt in ein System anscheinend verrückter Wahlentscheidungen, die die meisten eine nach der anderen fassungslos machen: Putin in Russland, Erdogan in der Türkei, der Brexit und nicht zuletzt die AfD und der generelle Rechtsruck in der politischen Landschaft in Europa. Fast immer erscheinen die Protagonisten wahnsinnig und der realen Welt der Logik und Fakten entrückt und nicht selten deuten ebendiese Logik und Fakten darauf hin, dass sie es tatsächlich sind. Nur scheinen Logik und Fakten in der aktuellen Entwicklung nicht mehr zu gelten. Putin, Erdogan und nun auch Trump haben unzählige überzeugte Anhänger, für die Wahl ihres Präsidenten keine Manipulation und auch kein bedauerlicher Unfall war. Sie haben den Rückhalt einer Anhängerschaft, die vielleicht unheimlich erscheinen mag, aber die man nicht einfach wegleugnen kann.

Es ist eine Bewegung in Gang gekommen, die immer neue Akzente setzt, die man als Verirrung der Zeit, als Protestwahl und als vorübergehenden Spuk abtun kann. Und vielleicht sind sie es auch, doch es ist zu einfach, einfach weiter zu machen wie zuvor und darauf zu warten, dass es wieder aufhört. Dazu gehört es, die Gründe für die Entscheidungen genau zu analysieren und zu verstehen. Denn eine Protestwahl ist in erster Linie vielleicht keine substanzielle Entscheidung, aber denoch ein Ausdruck der Unzufriedenheit. Eine Unzufriedenheit, die sich speist aus der Angst um die eigene wirtschaftliche Existenz und die dumpfe Wut und Verzweiflung über die eigene Unbedeutenheit.

Diese muss man nicht gutheißen, aber sie als dumm und ungehörig abzutun, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, greift zu kurz. Wer sich einer solchen Entwicklung entgegen stellen möchte, muss sich mit ihr auseinandersetzen. Ein einfaches „Weiter so“ und das Bewußtsein auf der richtigen Seite zu stehen reicht nicht mehr aus. Es ist an der Zeit, die jetzige Gesellschaft und Politik zu hinterfragen. Um sie besser zu machen und weniger ideologisch oder zumindest um sich zu vergewissern, dass man wirklich die beste Politik macht, die man haben kann. Dass man wirklich die entscheidenden Probleme und Fragen erkannt hat. Das heißt nicht, dass man dazu notwendig selbst einen gehörigen Schritt nach rechts unternimmt. Aber man muss Alternativen finden. Man muss einen Ausweg finden aus der Situation, dass es ganz offensichtlich für viele im Augenblick nicht gut so ist, wie es ist. Oder wenigstens erkennen, was eigentlich das Problem ist.

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