Von Idioten umgeben

Nun hat Susanne Gaschke also aufgegeben und ist als Oberbürgermeisterin von Kiel zurückgetreten. Und wieder mal war es ein sehr emotionaler Abschied, der in Norddeutschland eigentlich untypisch sein sollte. Anders als bei den zahlreichen Rücktritten die Schleswig-Holstein zuvor erlebt hat, bei denen man zumindest die Betroffenheit leicht nachvollziehen konnte, scheint der Fall Gaschke dagegen ein Fall zu Fremdschämen zu sein und auf einem falschen Welt- und Selbstbild zu beruhen.

Das Problem ist nur, dass Susanne Gaschke mit allen ihren Vorwürfen im Kern Recht hat. Sicher ist die Politik testosterongesteuert, sicher schreiben Zeitungen oft Dinge, die nicht nett oder gar verdrehte Wahrheiten sind und sicher haben sich zahlreiche Mitverantwortliche aus dem Staub gemacht. All diese Wahrheiten sind zum Teil objektiv und zum Teil subjektiv.

Die Problem der Frau Gaschke ist damit eines, das gesellschaftlich und damit eben auch politisch immanent ist. Es ist das Problem, dass die Welt nicht gerecht ist, sondern bestenfalls zu Gerechtigkeit tendiert. Es ist nicht gerecht, dass ein Kreuz- und Querdenker wie Sigmar Gabriel solange politische Versuchsballons starten darf, bis er irgendwann einmal in die richtigen Luftschichten gelangt und dennoch eine Partei wie die SPD führen darf. Es ist nicht gerecht, dass Frau Merkel wie Generationen von Schülern darauf wartet, bis andere eine Antwort gefunden haben, um sich dann zu melden und zu verkünden: „Wollt‘ ich auch gerade sagen.“ und dennoch eine Partei wie die CDU führen darf. Und es ist nicht gerecht, dass ein kleiner Mann, der beim Singen wie ein Cowboy hüpft, die allermeisten Youtube-Clicks bekommt.

Das Problem dabei ist: es interessiert keinen. Frau Gaschke hätte gerne einen anderen Politikstil, einen emotionaleren. Das ist schön und vielleicht sogar besser, doch anders als für Frau Gaschke ist das für die wenigsten ein Selbstzweck. Für sie allerdings war es der entscheidende Punkt, auf dem sie bis zum Ende beharrt hat, selbst in ihrer Abschiedsrede. Der geplante große Schritt einer Erneuerung des politischen Stils hat Frau Gaschke dann am Ende klein gemacht und auf ein einziges Thema reduziert. Auch das ist ungerecht.

Susanne Gaschke hat ihr Amt verloren, weil sie einen gravierenden politischen Fehler gemacht hat. Sie konnte es nicht retten, weil sie nicht erkannt hat, dass die Welt nicht grundlegend gut, sondern eher mittelmäßig ist. Und sie hat sich dabei in eine Mission verrannt, bei der aus dem Wunsch nach Gerechtigkeit Selbstgerechtigkeit wurde. Und auch wenn Selbstgerechtigkeit durchaus auch Gerechtigkeit sein kann, wird diese von vornherein negativ betrachtet.

Die Welt ist unfair und wir sind von zahlreichen Idioten umgeben. Frau Gaschke hat versucht, das zu ändern. Das ist großartig und nachahmenswert. Doch zugleich bleibt der bittere Beigeschmack: wer hat dieser Frau eigentlich ermöglicht, Bürgermeisterin zu werden? Vermutlich mussten da zahlreiche Kandidaten zurückstecken, die für die Aufgabe besser geeignet gewesen wären. Aber die Welt ist nicht gerecht, doch es ist manchmal gut, das im Hinterkopf zu behalten.

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