Das Ende der Polizeigewalt?
In seiner Kolumne stellt Jan Fleischhauer, wie ich es verstehe, die Frage, ob Politik und Öffentlichkeit die Polizei zu einer hilflosen und wehrlosen Memme gemacht haben. Nun teile ich eher selten die Einwürfe des Herrn Fleischhauer, doch zumindest ist auffällig, dass mit den Übergriffen von Köln und Leipzig gleich zwei Gewalteskalalationen einen öffentlichen Bereich in einer Großstadt kurzzeitig quasi zu einer rechtsfreien Zone gemacht haben.
Allerdings ist die Frage in meinen Augen von einer etwas verqueren Logik geprägt. Denn für mich klingt es so, als vermisse Fleischhauer bei den einzelnen Beamten sowie deren Einsatzschaften einen fehlenden Willen zur bedingungslosen Härte, fast so als ob diese, wie etwa beim Einsatz zu Stuttgart21 eine längst verlorene Tugend wäre. Doch die gebotene Härte ist eben nicht bedingungslos, sondern muss situationsangemessen erfolgen. Beim friedliebenden Ordnungsvergeher soll die Polizei lammfromm und deeskalierend sein, bei uneinsichtigen Gewalttätern dagegen unnachgiebig und mit der nötigen Härte einzuschreiten. Dieser scheinbare Spagat ist in den meisten Fällen nicht so schwer zu beschreiten.
Allerdings muss in der Tat einmal die Frage geklärt werden, ob die Polizei überhaupt die nötigen Mittel hat, um dieser Aufgabe Herr zu werden. Ob eventuell vereinzelt oder gar flächendeckend Kürzungen im Haushalt die Personaldecke und Ausrüstung der Polizei tatsächlich soweit ausgedünnt haben, dass sie auf außergewöhnliche Ereignisse nicht mehr adäquat reagieren kann und der Staat somit nicht mehr generell für die Grundsicherheit seiner Bürger sorgen kann.
Denn schlimmstenfalls sind die oben genannten Ereignisse der Beginn einer neuen Entwicklung organisierter Gewalt. Denn bislang entstanden derartig große gewaltbereite Zusammenrottungen hauptsächlich, was eher selten vorkommt, aus purem Zufall oder aber waren, wie etwa die 1.Mai-Demonstrationen oder Hooliganaufmärsche bei Fussballspielen, absehbar und somit planbar. Die Ereignisse von Köln und Leipzig dagegen schienen dagegen organisiert und dennoch die Polizeikräfte unvorbereitet treffend zu sein. Wenn sich jedoch auch künftig hunderte oder gar tausende von gewaltbereiten Tätern zu gemeinsamen Gewalttaten verabreden können, ohne dass davon etwas bei den Polizeikräften bemerkt wird, wäre dies ein Szenario, das besser bereits im Ansatz bekämpft werden sollte.
Wenn man davon ausgeht, dass die Polizei tatsächlich ahnungslos gewesen ist, ohne dabei die nötigen Informations- Sorgfaltspflichten bei der Einsatzplanung vernachlässigt zu haben, liegt der Ruf nach einem Mehr an Überwachung und an verdeckten Operationen nahe. Spätestens hier wäre darum auch einmal der Verantwortungssinn der Sympatisanten und Mitwisser gefragt. Denn, dass bei derart großen mutmaßlich geplanten Aktionen nichts nach außen dringt, scheint schwer zu glauben. Solange aber Mitwisser, die es in großer Zahl gegeben haben muss, allesamt schweigen, Mitläufer nicht deeskalieren, machen sie sich auch zu Mitverantwortlichen. Falls gewaltbereite Gruppen jedoch tatsächlich eine so große Basis von schweigenden Mitwissern hat, die die Folgen billigend in Kauf nehmen, deutet dies zugleich die Existenz von bedenklich großen Parallelgesellschaften an, die sich anscheinend an Recht und Gesetz oder an bürgerliche Werte nicht gebunden fühlen. Die Ursachen für eine derartige Einstellung, nicht zuletzt die sozialen Gründe dafür, gehören darum ebenfalls zu den Fragen, die sich Staat und Gesellschaft stellen sollten.