Nie mehr arbeiten
Ich will an dieser Stelle keine umfassende Diskussion zum bedingungslosen Grundeinkommen führen, zumal ich das in den letzten Jahren in anderen Artikeln bereits ansatzweise versucht habe („Geld für alle?„, „Morgen Kinder wird’s was geben„,“Zahlenspiele„,“Grundeinkommen in der Schweiz„). Allerdings hat mich aktuell überrascht, dass auch ein so interessierter und hinterfragender Mensch wie fefe eine eher einfache Vorstellung zum Grundeinkommen zur Diskussion stellt. Daher möchte ich hier im Gegenzug eine ebenfalls recht einfache Überlegung zu dieser Diskussion beitragen.
Würde man bei einem bedingslosen Grundeinkommen weiter arbeiten gehen?
Vorweg gestellt sei, dass in meinem Verständnis vom bedingungslosen Grundeinkommen dieses gerade so hoch ist, dass es ein menschenwürdiges (Über-)Leben ermöglicht. Wo genau für einen selbst die Grenze eines menschenwürdigen Lebens liegt, wird sich sicherlich individuell unterscheiden, doch denke ich, dass jeder Mensch für sich selber festlegen kann, welchen Betrag er samt aller Kosten im Monat zur verfügung haben müsste, um …
a) irgendwie existieren zu können (800 Euro)
b) einigermaßen gut und zufrieden zu leben (1200 Euro)
c) weitgehend sorgenfrei zu sein (2000 Euro)
Um die Begriffe mit etwas Leben zu füllen, habe ich jeweils einen Betrag als Beispiel angeführt, welcher natürlich für jeden individuell anders ausfallen kann.
Nehmen wir nun den Künstler her, den fefe in seinem Blogbeitrag als Beispiel anführt. Wobei ich anders als fefe dabei durchaus alle Künstler einbeziehen würde, auch die, die in Heimarbeit töpfern, Bilder malen, Romane schreiben oder was auch immer tun, denn auch das ist Arbeit. Gerade bei den Künstlern gehe ich zudem davon aus, dass diese einen Drang haben, das zu tun, was sie tun, denn Kunst ist gerade im unteren Bereich zumeist so schlecht bezahlt, dass es sich für nicht wenige bereits jetzt finanziell lohnen würde, die Arbeit ganz einzustellen und auf Sozialtransfers umzusatteln.
Doch natürlich wollen auch Künstler in den meisten Fällen Geld verdienen und nicht ständig am Existenzminimum leben. Auch sollte man bedenken, dass die Künstler überwiegend selbstständig sind und selber für Krankenversicherung und Rente aufkommen müssen. Und nicht zuletzt ist der Künstler stets in einer besonders prekären Beschäftigungssituation, denn gerade er muss fürchten, dass er seine Kunst irgendwann nicht mehr auf einem ausreichend hohem Niveau leisten kann oder dass sie beim Publikum einfach aus der Mode kommt. Etwas Geld auf der hohen Kante angespart zu haben, wäre da sicherlich auch nicht verkehrt. Jedes Konzert, aber auch jede verkaufte Vase und jede Veröffentlichung spült dabei ein wenig Geld in die Kassen des Künstlers. Warum sollte ein Künstler darauf verzichten und die Arbeit einfach einstellen, sobald er einen bestimmten Mindestbetrag im Monat verdient hat? Auch für einen Künstler bedeutet mehr Geld mehr Sicherheit und eben auch mehr Luxus.
Sicherlich kann man jetzt vermuten, dass ein Künstler mit dem Grundeinkommen in der Tasche etwas weniger arbeiten wird und unlukrative Aufträge einfach ablehnen wird. Doch zum Einen kann man fragen, ob es wirklich wünschenswert ist, jeden Auftrag der Form „und dann spielt ihr den ganzen Abend für insgesamt zwanzig Euro die Nase“ anzunehmen, weil sonst das Geld nicht reicht. Zum Anderen ist die Kunst aber auch das Kapital des Künstlers. Er kann zwar etwas besonderes, aber nur wenn er es auch ausübt, wird er dafür Geld bekommen. Und wie oben bereits erwähnt, will der Künstler seine Kunst eben auch anwenden, weil sie Teil seines Lebens und seiner Selbtverwirklichung ist. Das oben Gesagte gilt natürlich nicht nur für Künstler, sondern lässt sich weitgehend ebenso auch auf andere Berufe übertragen. Auch hier besteht bei den meisten Menschen der Wunsch, arbeiten zu wollen und mehr Geld zu verdienen. Das Einstellen oder Reduzieren der Arbeit wäre für diesen Wunsch eher kontraproduktiv.
Bliebe noch die Frage, ob wir am Ende in einer Welt der Künstler, Nagelstudios und Telefondesinfizierer leben werden, wenn jeder plötzlich auf die Idee kommt, sich selbst zu verwirklichen und mit dem Grundeinkommen im Rücken seinen persönlichen Traum auszuleben, den er als Büroangestellter oder Lagerarbeiter vielleicht nicht erfüllt sieht. Diese Möglichkeit wird sicherlich in Einzelfällen bestehen. In der Praxis wird jedoch die Realität relativ schnell die Tauglichkeit solcher individuellen Entscheidungen überprüfen. Wenn der (finanzielle) Erfolg im vermeintlichen Traumberuf ausbleibt, wird das bedingungslose Grundeinkommen am Ende nur ein schwacher Trost bleiben und die meisten werden sich am Ende darauf besinnen, welche Tätigkeit für sie insgesamt den größten Sinn und Nutzen ergeben wird.
Wirklich sicher kann man nur sein, wenn man das Grundeinkommen in der Anwendung sieht. Weil schon jetzt viele von Sozialleistungen abhängen und dies wegen der kommenden Automatisierung noch zunehmen wird, kommt das Grundeinkommen oder etwas Ähnliches irgendwann. Das wird aber noch mindestens 10 Jahre dauern.