Ypsilantisiert

Allzuviel Aktuelles ist noch nicht über die Wahl in Nordrhein-Westfalen kommentiert, was möglicherweise daran liegt, dass mein Feedreader mir noch nicht alles ausgeliefert hat. Allerdings scheinen wenigstens einige Dinge klar zu sein:

Frauen sollten nicht an die Spitze der SPD

Die Wahlgötter meinen es nicht gut mit den Frauen an der SPD-Spitze. Simonis, Ypsilanti und nun
Hannelore Kraft: sie alle wurden vom Wähler nach Strich und Faden verarscht. Sie sind Siegerinnen ohne einen Preis zu bekommen. Im Gegenteil sie werden vor ein Dilemma gestellt, das zeigt, dass Tragödien kein Monopol der Griechen sind.

Eine Seifenoper ?

Wäre die Wahl eine Fernsehserie gewesen, hätte man sie ausgeschaltet, zu klischeehaft war ihr Verlauf mit Rückblenden auf die vorvorletzte Bundestagswahl mit einem Edmund Stoiber, der sich auch zu früh über einen kanppen Sieg freute und einem aktuellen internationalen Bezug zu England, wo es auch gerade eine Wahl ohne Sieger gegeben hat. Am Ende gewinnt die CDU trotz Verlusten um die 10% wohl mit einer absoluten Stimmmehrheit von etwa 6000 Wählerstimmen die Wahl. Das ist das vermutliche Ende von schwarz-gelb doch trotz der Gewinne der Grünen ist es kein rot-grün und auch kein schwarz-grün. Letztere hätten beide 90 Sitze im Landtag – 91 wäre die Mehrheit gewesen.

Sag mir, was soll es bedeuten ?

Durch die desolate Lage der FDP, von der selbst die CDU nicht so genau weiß, ob sie die noch mag, bleiben eigentlich nur zwei denkbare Koalitionen: Die große Koalition oder eine rot-rot-grüne. Richtige Wahlsiege fühlen sich anders an. Und keine der beiden Optionen wird der SPD gut tun.

Die große Koalition

Nicht nur, dass man in der großen Koalition mit der CDU arbeiten müsste. Wie es aussieht, müsste man sogar unter ihr arbeiten. Hannelore Kraft würde da nicht Ministerpräsidentin werden können. „Wo bleibe ich denn da?“, hatte Heide Simonis in der gleichen Situation in Schleswig-Holstein gefragt. Die Antwort bei Heide Simonis, die es dreimal ganz genau wissen wollte, ist hinlänglich bekannt. Sie ist zwar nicht Präsidentin des deutschen Radfahrerbunds geworden, aber so ähnlich.

Auch Rüttgers wird schwerlich Ministerpräsident bleiben können. Soviel Einfluss hätte die SPD dann doch in den Koalitionsverhandlungen und einen Rüttgers ins Amt zu verhelfen, wo es doch das erklärte Ziel war, ihn persönlich abzusetzen, wird man von der SPD nicht verlangen können. Rüttgers selbst war am Wahlabend zwischenzeitlich untergetaucht. Über seinen parteiinternen Rücktritt wurde gemutmaßt, aber nun muss man erst mal wieder abwarten. Die CDU insgesamt hätte in einer großen Koalition zumindest alle Möglichkeiten, sich wieder aufzubauen.

Mein linker, linker Platz ist leer

Die Koalition mit den Linken hatte Andrea Ypsilanti bereits parteiintern das Genick gebrochen. Andernfalls hätte ihr sonst das Wahlvolk den ganzen Kopf abgerissen. Hannelore Kraft hat es zumindest insoweit schlauer gemacht, eine Koalition mit der Linken nicht auszuschließen (ob das wohl 6000 Stimmen gekostet haben könnte?). Aber nur, weil sie nicht gelogen hat, hat sie damit anscheinend keine wirkliche Option. Wenn man den Umfragen gestern im Fernshen trauen darf, wären 70% der Wähler gegen eine Regierungsbeteiligung der Linken. Vermutlich würde man damit ein Debakel bei der nächsten Wahl in die Wege leiten. Allerdings muss sich die SPD irgendwann einmal ernsthaft mit den Linken auseinandersetzen und überlegen, wie wertvoll ihr diese Stimmen vom linken Rand sind. Und ob sie sich dauerhaft leisten kann, diese Stimmen aus Gründen der Pietät zu verlieren.

Bleibt es doch, bleibt es doch wie es ist
CDU und FDP zumindest können jetzt pokern. Die Koalition hat zwar verloren, aber erstmal muss sie abgesetzt werden. Und dazu muss die SPD in einen der beiden sauren Äpfel beißen. Der nach der Wahl oft verzerrte und verbogene „Wählerwille“ muss ja aus Sicht der CDU keine Abwahl von schwarz-gelb bedeuten.

Der Wähler ist schuld
Letztlich sind die Wähler also wieder schuld. Insbesondere natürlich die Wähler der Piraten, die frecherweise selbst gewählt werden wollten, als ihre Stimmen rot-grün zukommen zu lassen. Etwa zwei Prozent sind so verloren gegangen. Aber zum Glück können sich die meisten Wähler nicht beschweren, weil sie Nicht-wähler geblieben sind. 40% brauchen gar nicht erst den Mund aufmachen, um das Wahlergebnis zu kritisieren und die anderen müssen damit leben, dass wenn widerstrebende Kräfte miteinander ringen, am Ende ein Patt stehen kann.

Nachtrag (15:21 Uhr): Interessant fand ich den Artikel bei Spiegelfechter (Link nicht mehr gefunden), den ich hier zum Lesen nachreiche. Im Prinzip sagt er das gleiche aus wie dieser Artikel. Allerdings stellt er die Wahl in einen längeren zeitlichen Zusammenhang und impliziert meiner Meinung nach, dass schwarz-rot derzeit eigentlich die praktischte Alternative sei, weil sich die Parteien sehr ähnelten.

Demnach wären in anderen Koalitionen vielleicht sogar die großen Parteien das austauschbare Vehikel und die kleinen die (Geister-) fahrer, die einen Plan haben, wo sie hinwollen. Letzteres stimmt so natürlich nicht und wurde auch im Spiegelfechter nicht behauptet. Ein Kern Wahres wäre aber dran.

Die Kommentare bei Spiegelfechter sollte man sich übrigens nicht antun, weil irgendein kluger Mensch wieder Rechenakrobatik mit den Stimmen der Nichtwähler angestellt hat und damit eine ebenso nutzlose wie sinnentleerte Thematik aufgeworfen hat. Statt zu fragen, warum es soviele Nichtwähler gibt wird nun wieder mal darüber schwadroniert, wen sie wohl mit ihrer Nichtstimme gewählt hätten.

Nachtrag (12.05. 15:47 Uhr): Anscheinend liege ich beim Absatz „Bleibt es doch, bleibt es doch wie es ist“ nicht richtig. Anders als in Hessen scheint die Landesverfassung ein solches Manöver nicht zuzulassen.

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