Urheberrecht: Kontrollmechanismen

Einleitung

Ein wesentlicher Punkt, der für weit verbreiteten Unmut sorgt, sind die Kontrollmechanismen und die Strafmaßnahmen, mit denen das Urheberrecht durchgesetzt werden soll und Verstöße geahndet werden sollen. Dieses Thema hat sehr viel mit den technischen Möglichkeiten zu tun und berührt letztlich das Medium Internet an sich.

Gewohnheitsrecht

Soweit ich das Interview mit Jan Delay and Christopher Lauer im Spiegel verstanden habe, berufen sich Teile der Piratenpartei darauf, dass das illegale Filesharing und auch das sonstige illegale Nutzen von Inhalten eine so verbreitete Praxis sei, dass ein Verbot nicht mehr zeitgemäß sei und lediglich weite Teile der Bevölkerung kriminalisieren würde. Tatsächlich ist es durchaus denkbar, dass sich die allgemeine Rechtsauffassung innerhalb der Gesellschaft derart ändert, dass die Gesetzeslage an das tatsächliche Rechtsempfinden angepasst werden muss. Das ist ein normaler Vorgang, der immer wieder passiert.

Ich persönlich denke allerdings, dass die sogenannten „Raubkopierer“ derzeit deutlich in der Minderzahl sind und dass es eben keinen gesellschaftlichen Konsens einer „Kostenloskultur“ gibt. Darüber hinaus müsste eine Gesetzesänderung praktikabel und gesellschaftlich wünschenswert sein. Nur weil täglich tausende Menschen falsch parken, wäre es unter Umständen dennoch fatal, jedem zu gestatten, sein Auto dort abzustellen, wo es ihm gerade passt. Im Falle der Abschaffung des Urheberrechts wäre das Ergebnis keine Anarchie, aber es würde in meinen Augen einen kulturellen und gegebenenfalls auch technischen Niedergang zur Folge haben. Beide Punkte, also die Frage nach einem existierenden Konsens, als auch die nach den daraus resultierenden Folgen sprechen für mich gegen eine Kostenloskultur.

Technische Machbarkeit

Das Problem des Internets ist, dass es erlaubt, große Mengen an Daten dezentral, nahezu kostenfrei und anonym zu verschicken, womit es ein Werkzeug ist, dass quasi wie geschaffen ist, um ungestraft Urheberrechtsverletzungen zu begehen. Natürlich ist das kein Problem des Internets, sondern eines der Rechteinhaber. Es ist vielmehr großartig, dass das Internet so funktioniert wie es ist.

Das Problem des Internets ist vielmehr, dass es für normale Nutzer nicht wirklich dezentral und anonym ist. Da sie in der Regel über einen Internetprovider ins Netz gehen, weiß dieser in den meisten Fällen, welcher Nutzer welche Daten wann abruft. Und damit sind die Internetprovider der erste Anlaufpunkt all derjenigen, die Auskünfte über das Internetverhalten einzelner Nutzer haben wollen. Sie sind, gegebenenfalls über den Umweg der Strafanzeige, eine zuverlässige Auskunftsquelle für Abmahnanwälte und auch für Ermittlungsbehörden aller Art.

Gläserne Bürger und Chinesische Mauern

Die Internetprovider und jede andere verfügbare Quelle wird dann benutzt um Informationen einzufordern und die Anonymität der Nutzer aufzuheben. Dies funktioniert im Einzelfall sehr zuverlässig und nur sehr wenige Nutzer sind in der Lage, sich diesem Kontrollvorgang, wenn er einmal anläuft, mit technischen Gegenmaßnahmen und Verschleierung zu entziehen. Die entsprechenden Interessenvertreter der großen Rechteinhaber aber auch konservative Überwachungpolitiker tun ihr Möglichstes, diese Kontrollmechanismen auszuweiten und den Zugriff darauf zu vereinfachen, bis hin zu einer (automatisierten) Kontrolle des kompletten anfallenden Datenverkehrs.

Eine solche Entwicklung ist absolut fatal für die Freiheitsrechte, denn nicht nur wäre jeder Internetnutzer in seinem Onlineverhalten quasi gläsern. Zusätzlich würde durch eine Sperrkultur illegaler Inhalte zugleich eine Infrastruktur für die Zensur beliebiger Inhalte geschaffen, die bereit steht und nur genutzt werden müsste. Und nur wenig von dem, was technisch machbar ist, wird am Ende nicht benutzt. Eine allgemeine Überwachung des Internets oder die Schaffung dazu nötiger Strukturen durch Industrie oder Gesetzgeber ist konsequent abzulehnen.

Hasch mich

Die Frage ist dann jedoch, wie man Urheberrechtsverletzern auf die Schliche kommen will. Dies ist dann nur auf die herkömmlichen verdachtsabhängigen Wege möglich. Tatsächlich scheinen die Verwerter in Lage, durch Ermittlung von IP-Adressen in Tauschbörsen vermeintliche Urheberrechtsverstöße festzustellen und justiziabel zu machen. Außerdem finden sich auf anderen Wegen, häufig durch Denunziation, Hinweise auf vermeintliche Raubkopierer. Eine Ausweitung der Ermittlerrechte scheint in meinen Augen daher nicht zwingend erforderlich zu sein.

Schuld und Sühne

Das Problem bei Urheberrechtsverstößen ist, dass es häufig an einem Unrechtsbewußtsein derjenigen mangelt, die einen Verstoß begehen. Letztlich lautet die Argumentation „Das habe ich nicht gewußt“ oder „Ich nehme doch niemanden etwas weg“ und „Zu dem Preis hätte ich das eh niemals gekauft“. Solange man keine Schuld verspürt, fühlt sich jede Strafe ungerecht an. Zum Glück verspüren die meisten ein Schuldbewußtsein, dennoch werden sie am Ende mit einer Strafe konfrontiert, die ihnen nicht schuldangemessen erscheint. Wenn das gedankenlose Verwenden eines Stadtplanausschnitts oder das Hochladen eines Musikstücks ein paar Hundert oder mehr Euro kosten soll, verwandelt sich Reue schnell in Wut.

Ein Teil des Problems sind die sogenannten Abmahnanwälte, die mit Massenabmahnungen von Urheberrechtsverletzungen über die Anwalts- und Abmahngebühren hohe zivilrechtliche Kosten bei den Beklagten geltend machen. Hier gibt es beim Gesetzgeber bereits erste Schritte, diese Kosten zu deckeln, die aber noch nicht greifen und auch nicht weit genug gehen. Das massenhafte Abmahnen darf kein Geschäftsmodell sein.

Das andere Problem sind die tatsächlichen Kosten, die eine Urheberrechtsverletzung verursacht. Viele Dinge, die illegal kostenlos zur Verfügung gestellt werden, werden hinterher nicht mehr gekauft. Nur ist dieser Schaden weder dem Verursacher bewußt, noch läßt er sich genau bestimmen. Berechnungen aus Verwertersicht, die aus jedem kopierten Titel eins zu eins einen nicht verkauften machen, sind lächerlich und in meinen Augen sogar kriminell, falls sie anschließend als Grundlage in Kampagnen und Diskussionen eingebracht werden.

Letztendlich müssen sich die Kosten, die ein erwischter Urheberrechtsverletzer leisten muss, aber mindestens dem Wert des erworbenen Produkt entsprechen, denn ansonsten könnte jeder ein Produkt erst mal illegal benutzen und es eben erst dann bezahlen, wenn er erwischt wird. Aus dem gleichen Grund muss das letztliche Strafmaß darüber hinaus insgesamt deutlich höher ausfallen, um abschreckend zu wirken. Letztlich ist man dann jedoch wieder in dem Bereich von einigen hundert Euro beziehungsweise merklichen strafrechtlichen Konsequenzen.

Alles in Allem muss ich für mich sagen, dass ich das auch prinzipiell genauso korrekt finde, denn die meisten Urheberrechtsverletzer handeln bewußt oder grob fahrlässig und damit so, dass sie in allen anderen Rechtsbereichen ebenso mit Strafen und Schadensersatzforderungen bedroht wären. Allerdings dürfen die Sanktionen in ihrer Gesamtwirkung nicht gezielt unverhältnismäßig sein und nicht grundlos nach oben ausgeweitet werden. Letztlich ist Strafe nur ein, wenn auch wichtiger, abschreckender Baustein. Aufklärung und das Werben um Verständnis sind nötig, um Urheberrechtsverstöße vorsorgend zu vermeiden. Einen Konsens für die Einhaltung des Urheberrechts wird es allerdings genauso wenig geben, wie den postulierten Konsens einer Kostenloskultur.

Fazit

Um das Urheberrecht wirksam aufrechtzuerhalten, sind Ermittlungen und Strafen notwendig. Die Strafen fallen durch die Natur der Sache für die betroffenen oft subjektiv zu hoch aus, was jedoch durch deren Handeln nicht notwendig unverdient ist. Allerdings sind überzogene Kosten und Strafen, wie sie heute teilweise entstehen, zu vermeiden.

Die heutigen Kontrollmöglichkeiten sind ausreichend. Sie zu Erweitern wäre ein fataler Eingriff in den Datenschutz und in die Informationsfreiheit, welcher unbedingt zu vermeiden ist.

Das Urheberrecht in seiner jetzigen Form ist von der Mehrheit der Nutzer prinzipiell befürwortet oder zumindest akzeptiert. Nur eine geringe Zahl der Nutzer lehnt es ideell ab. Da Urheberrechtsverstöße vielen nur als Kavaliersdelikte erscheinen, begeht eine relativ große Zahl von Nutzern, insbesondere auch der eigentlich Urheberrecht Akzeptierenden gelegentlich oder auch regelmäßig Urheberechtsverstöße. Falls das Urheberrecht beibehalten soll, ist hier vermutlich einiges an Aufklärungsarbeit erforderlich.

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